Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
Tz. 46
Gesellschaftsanteile sind grundsätzlich mindestens zum Nennwert auszugeben (§ 9 Abs. 1 AktG). Darüber hinausgehender Betrag ist das Aufgeld, auch Agio genannt (§ 36a Abs. 1 AktG). Dieses ist in der Kapitalrücklage zu buchen. Das gilt ebenso im GmbH-Recht. Auf Zeitpunkt und Form der Leistung kommt es nicht an; jeder mit der Anteilsausgabe bei Gründung oder Kapitalerhöhung geleistete Zusatzbetrag ist erfasst.
Tz. 47
§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB spricht nicht allein von einem Aufgeld, sondern von dem Betrag, der durch die Aktienausgabe erzielt wird. Dazu gehört bei Einschaltung eines Emissionskonsortiums auch die Differenz zwischen Zeichnungskurs und Nennbetrag der jungen Aktien, wobei die Vergütung des Emissionskonsortiums abzuziehen ist. Wird zugunsten der Gesellschaft von einem die Emission ausführenden Kreditinstitut ein fixes Agio versprochen und kann die Gesellschaft bei einem bestimmten Mehrerlös darüber hinaus noch Zahlung beanspruchen, ist auch dieser zusätzliche Differenzbetrag § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB unterworfen. Das gilt sogar, wenn dieser zusätzliche Differenzbetrag erst in einem späteren Geschäftsjahr zufließt. Auch das aus der Ausübung eines Umtausch- oder Bezugsrechts bei einer bedingten Kapitalerhöhung entstehende Aufgeld (z. B. bei Wandelschuldverschreibungen) unterfällt § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB (ausführlich zu den einzelnen Teilbeträgen vgl. Tz. 53). Ebenso unterfällt § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB ein Agio, dass bei einem mittelbaren Bezugsrecht oder der Ausgabe von Vorratsaktien erlöst wird.
Tz. 48
Vielfach werden schuldrechtliche Leistungen in das Kapital bei der Ausgabe neuer Anteile vereinbart. Damit wandeln sie sich von einer korporativen Pflicht in eine persönliche Pflicht. Anteilserwerber sind nicht einstandspflichtig und Änderungen sind möglich. Sacheinlagen müssen nicht bewertet werden. Ob diese gesellschaftsrechtlich bedeutsame Differenzierung Auswirkungen auf das Bilanzrecht hat, ist umstritten. Zum Teil wird die Einordnung gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB gefordert. Die Gegenauffassung will das Agio im Zusammenhang mit der Anteilsausgabe unabhängig von Ausgestaltung § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB unterwerfen. Letzterer Sichtweise ist zu folgen. Es ist in der Tat wenig einsichtig, warum die Gesellschaft hinsichtlich des bilanziellen Ausweises Gestaltungsmöglichkeit haben soll, wenn der Kapitalschutz nicht zu ihrer Disposition steht. Zu Unrecht spricht Priester dem Agio im Aktienrecht jegliche Gläubigerschutzeigenschaft ab. § 150 AktG belegt das Gegenteil. Gläubigerschutz ist nicht vorrangiger Gedanke des Agios im Aktienrecht. Ist dieses aber einmal aufgebracht, dann dient es auch dem Gläubigerschutz. Auch die Entscheidung des BGH in der Sache Adcocom gebietet keine andere Lösung. In dieser Entscheidung behandelt der BGH die Zuzahlung gerade nicht als Agio, sondern als freiwillige Zuzahlung. Der Gesellschafter war deshalb frei in seiner Wahl, weil er nicht den Vermögensschutz zugunsten von Minderheitsgesellschaftern beachten musste.
Tz. 49
Verdeckte Einlagen sind nicht allein ein Phänomen aus dem Steuerrecht; sie sind auch im Gesellschaftsrecht zu finden: Sacheinlagen werden unterbewertet. Vielfach wird als Gefahr genannt, dass die spätere Aufdeckung der stillen Reserven zu Scheingewinnen und daher zur Verschleierung der tatsächlichen Ertragsfähigkeit der Gesellschaft führt. Daher wird vielfach ein bilanzieller Ausweis zum wahren Wert gefordert. Diese Sichtweise ist nicht zwingend und daher zumindest in ihrer Absolutheit abzulehnen. Die Gegenauffassung plädiert für ein Wahlrecht. Es liegt im Wesen stiller Reserven, dass ihre Aufdeckung einen Ertrag bewirkt, der die produktive Ertragsfähigkeit der Gesellschaft verschleiert. Ob die Überführung der stillen Reserven in die Gesellschaft später bei dieser oder zuvor bei der Kapitalaufbringung bei der Inferentin zur Aufdeckung stiller Reserven führt, ist gleichgültig. Die Schwierigkeit besteht allein darin, dass § 150 Abs. 4 AktG umgangen werden kann, weil die spätere Aufdeckung zum Gewinn und damit zu ausschüttungsfähigen Rücklagen führt. Das ist aber hinzunehmen, wenn Manipulationen bei der Bilanzierung ausgeschlossen werden können. Es darf daher nicht willkürlich unterbewertet werden. Wenn die Gesellschaft ihr Kapital ohne Agio erhöht und der einzige Gesellschafter bringt einen höherwertigeren Gegenstand ein, genügt die Buchwertfortführung (und ist allein richtig, weil es am Umsatzakt am Markt fehlt). Liegt der Buchwert über dem erhöhten Nennbetrag, ist die Differenz zwingend in die Kapitalrücklage zu buchen; andernfalls kann ein Ausweis unterbleiben. Letztlich spricht auch das Bewertungswahlrecht des § 24 UmwG für diese Auffassung, während die Gegenauffassung in § 24 UmwG eine Ausnahme sieht und Buchwertfortführung aus Praktikabilitätsgründen nur bei Einbringung von Unternehmen im Wege der Sacheinlage oder Verschmelzung gestattet.
Tz. 50
Eine Funktion des Agios ist der Ausgleich für Wer...