Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
Tz. 240
Die intensive Diskussion um die Bilanzierung anteilsbasierter Vergütungen und dabei insbesondere vergütungshalber gewährter Aktien und Aktienoptionen entzündet sich letztlich an der Frage, wo bei solchen Transaktionen die Trennlinie zwischen der Gesellschaftssphäre und der Gesellschaftersphäre verläuft. Eine extreme Position ist hierbei, dass die Unternehmenssphäre gar nicht von solchen Transaktionen berührt wird. Diese Sichtweise ist aber insbesondere bei einer anteilsbasierten Vergütung von empfangenen Gütern, also z. B. bei einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage, offenkundig unzutreffend. Auch bei der Vergütung von Arbeitsleistungen, die für das Unternehmen und nicht direkt für die Gesellschafter erbracht werden, erscheint es wenig einleuchtend, diese allein der Gesellschaftersphäre zuzurechnen. So hat das IASB diese in Deutschland vor allem mit Blick auf die Bilanzierung von Mitarbeiter-Aktienoptionen nach HGB vorgetragene Argumentation auch stets abgelehnt. Es ist nicht zu erwarten, dass das IASB diese grundsätzliche Fragestellung erneut auf die Agenda nimmt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die gemeinsame Entwicklung weitgehend identischer Standards durch das IASB und das FASB zu anteilsbasierten Vergütungen an die lange, mindestens zu der ersten Veröffentlichung einer Regelung hierzu im Jahr 1948 (Accounting Research Bulletin No. 37) zurückreichenden Tradition der Zurechnung solcher Vergütungen zur Gesellschaftssphäre im US-amerikanischen Raum anknüpft. Die Vermeidung von Personalaufwand nach den bis 2004 geltenden US-GAAP-Regeln beruhte demgegenüber auf den Bewertungsvorschriften (vgl. Tz. 242).
Tz. 241
Soweit im Einklang mit IFRS 2 von einer Zurechnung zur Gesellschaftssphäre ausgegangen wird, schließt sich die Frage an, ob der in einem Bezugsrecht verbriefte Anspruch auf Erwerb von Unternehmensanteilen dem Eigen- oder Fremdkapital zuzurechnen ist. Nach IFRS 2 werden solche Rechte in Übereinstimmung mit der Klassifizierung von Options- oder Wandlungsrechten nach IAS 32.22 dem Eigenkapital zugerechnet. Von der Wertentwicklung der Anteile abhängige Zahlungen des Unternehmens werden demgegenüber dem Fremdkapital zugerechnet. Hierdurch entsteht dahingehend eine Inkonsistenz, dass ökonomisch – im Sinne des rechnerischen Wertverlustes für die Alt-Gesellschafter und des letztlich realisierten und zu versteuernden Zuflusses beim Vergütungsempfänger – gleichwertige Transaktionen sowohl hinsichtlich des Buchungszeitpunktes als auch der Höhe nach zu unterschiedlichen Aufwendungen führen. In der Literatur wird immer wieder eine identische Behandlung von Vergütungstransaktionen mit Ausgleich durch Eigenkapitalinstrumente und mit Barausgleich gefordert, die insbesondere durch eine Zurechnung der Wertschwankungen von Rechten zum Bezug von Eigenkapitaltiteln zur Gesellschaftssphäre erreicht werden könnte. Da hierzu eine grundlegende Überarbeitung der Kriterien zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital notwendig wäre, ist jedoch nicht davon auszugehen, dass es in näherer Zukunft zu einer solchen Angleichung kommt.
Tz. 242
Ein intensiv diskutiertes Thema im Zusammenhang mit der Gewährung von Aktienoptionen und anderen Bezugsrechten zum Erwerb von Anteilen war in der Vergangenheit auch deren Bewertung. Die zum Schließen der ursprünglichen IAS-Regelungslücke oftmals herangezogene Regelung nach US-GAAP erlaubte unter bestimmten Voraussetzungen eine Bewertung von Aktienoptionen mit dem inneren Wert bei Gewährung, der in der Regel null beträgt. Mittlerweile ist aber – zumindest unter den Rechnungslegungs-Regelsetzern – generell akzeptiert, dass die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert erfolgen soll, der mit finanzwirtschaftlichen Optionsbewertungsmodellen zu ermitteln ist. Dies gilt nicht nur nach IFRS 2, sondern auch nach der ungefähr zeitgleich erschienenen Neufassung der US-GAAP-Regelung. Auch für die Bilanzierung nach HGB ist eine solche Bewertung im Standardentwurf E-DRS 11 aus dem Jahr 2001 vorgesehen gewesen. In der Praxis wird die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert jedoch weiterhin vielfach kritisch gesehen. Gründe hierfür sind die oft hohen methodischen Anforderungen an die notwendigen Bewertungsmodelle sowie die vielfach eingeschränkte Verfügbarkeit der benötigten Eingabedaten. Trotz dieser durchaus zutreffenden Kritikpunkte ist angesichts der konzeptionellen Schwächen einer Bewertung zum inneren Wert nicht damit zu rechnen, dass das IASB die Bewertungskonzeption des IFRS 2 in Zukunft ändern wird.