Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
dd1) Nicht der Produktion dienende Goldbestände
Tz. 145
Nimmt ein Unternehmen eine Investition in (materiellem) Gold vor, um eine mittelfristige Sicherung gegen Währungsunsicherheiten zu erreichen, stellt sich die Frage nach dem bilanziellen Ausweis dieser nicht in der Produktion eingesetzten Goldbestände. Als denkbare Kategorien gelten zunächst
- Sachanlagen,
- normales Vorratsvermögen,
- Vorratsvermögen eines sog. commodity brokers sowie
- nicht zu festen Tilgungs- bzw. Zahlungsströmen führender und nicht als Eigenkapitalinstrument zu qualifizierender finanzieller Vermögenswert.
Tz. 146
Da ein Goldbestand weder die in IAS 2.6 enthaltenen Bedingungen noch sämtliche der in IAS 16.6 aufgelisteten Kriterien erfüllt, handelt es sich weder um Vorräte noch um Sachanlagevermögen.
Auch stellt der materielle Goldbestand weder Geld noch ein Eigenkapitalinstrument dar. Zudem begründet er keine vertraglichen Rechte gegenüber einer dritten Partei. Somit scheidet eine Kategorisierung als finanzieller Vermögenswert aus. Eine Klassifizierung von Gold als Finanzinstrument wird in IAS 39.IG.B1 zudem explizit ausgeschlossen.
Tz. 147
Im Ergebnis kann der Goldbestand keinem Standard bzw. keiner Vermögenskategorie zugeordnet werden. Es liegt somit eine Regelungslücke vor, die es durch Analogieschluss zu schließen gilt. Für das Bilanzierungsproblem besteht in konzeptioneller Hinsicht eine besondere Ähnlichkeit für den Goldbestand zur Bilanzierung von als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien nach IAS 40. Bei den als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien handelt es sich gewissermaßen um ein Zwitterwesen. Langfristig zum Zwecke von Wertsteigerungen und nicht zur Selbstnutzung gehaltene Grundstücke (IAS 40.6) verkörpern auf der einen Seite Immobilien, d. h. körperliche Gegenstände, die eng mit Sachanalagen verwandt sind, und somit keine Finanzinstrument darstellen (physische Betrachtung). Auf der anderen Seite dienen diese nicht der Produktion, der Verwaltung oder dem Verkauf, sondern – in Übereinstimmung zu Finanzanlagen – der Erzielung von Renditen oder auch der Risikodiversifizierung durch Anlage freier Mittel außerhalb des Bereiches des betrieblichen Leistungsprozesses (funktionale Betrachtung).
Diese Zwitterstellung gilt auch in Bezug auf den Goldbestand. Einerseits stellt dieser einen körperlichen Gegenstand dar und ähnelt in physischer Betrachtungsweise dem Sachanlagevermögen, andererseits dient der Goldbestand der Generierung von Wertsteigerungen sowie der Risikodiversifizierung und ähnelt insoweit finanziellen Vermögenswerten. Eine Analogie zu IAS 40 erscheint vor dem Hintergrund dieser Übereinstimmungen sachgerecht.
dd2) Bitcoins
Tz. 148
Für sog. Kryptowährungen , zu denen insbesondere Bitcoins zählen, stellt sich die Frage nach der Kategorisierung als Zahlungsmittel, finanzieller Vermögenswert oder immaterieller Vermögenswert.
Gegen eine Behandlung von Bitcoins als Fremdwährung spricht, dass in zahlreichen Ländern keine Anerkennung als Zahlungsmittel gegeben ist. Darüber hinaus kann der Bitcoin von Unternehmen eigens erstellt werden. Nach Auffassung der BaFin handelt es sich bei Bitcoins um Devisen gleichgestellte Finanzinstrumente in Form von Recheneinheiten, was auf eine bilanzielle Behandlung als Zahlungsmitteläquivalent hindeuten würde. In IAS 7.6 f. wird jedoch dargelegt, dass bei Zahlungsmitteläquivalenten nur unwesentliche Wertschwankungen vorhanden sein dürfen, was bei Bitcoins – beispielhaft sei auf die Entwicklung des EURO/Bitcoin-Verhältnis im ersten Quartal 2014 hingewiesen – gerade nicht erfüllt ist. Daneben ist die durch IAS 7.7 geforderte Wandelbarkeit in festgelegte Zahlungsmittelbeträge mit Blick auf die erheblichen Bewertungsunterschiede zwischen Onlinetauschbörsen nicht gegeben. Allenfalls kommt es zu Umwandlungen zum aktuellen Kurs, wobei keine rechtliche bzw. vertragliche Verpflichtung zum Tausch besteht. Eine Bilanzierung als Zahlungsmittel(äquivalent) scheidet insofern aus. Dass keine amtlichen Kassakurse und eindeutig ermittelbaren Stichtagskurse bestehen, spricht ebenfalls gegen die Bilanzierung als Fremdwährung. Vor dem Hintergrund fehlender Zahlungs- oder Umtauschverpflichtungen scheidet eine Bilanzierung von Bitcoins als (sonstige) Forderungen ebenfalls aus.
Tz. 149
Denkbar wäre auch die Qualifikation von Bitcoins als finanzieller Vermögenswert. Gemäß IAS 39.14 ist es für den Ansatz eines finanziellen Vermögenswerts erforderlich, dass das Unternehmen zur Vertragspartei des Finanzinstruments wird. Insbesondere bei selbsterstellten Bitcoins ist jedoch fragwürdig, mit welcher anderen Partei ein Vertrag vereinbart wurde. Wird auf die sog. Bitcoin Community abgestellt, wäre zu bedenken, dass diese weder wirklich fassbar noch abgrenzbar und keine natürliche oder juristische Person darstellt. Somit kann diese nicht als Vertragspartei gelten. Zudem gehen mit Bitcoins bei der Gegenpartei keine fi...