Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
aa) Überblick
Tz. 208
Unter zusammengesetzten Finanzinstrumenten – z. T. auch als hybride Finanzinstrumente bezeichnet – sind Verträge zu verstehen, die sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalkomponenten umfassen.
Der Emittent muss gemäß IAS 32.28 anhand der Konditionen des Finanzinstruments überprüfen, ob ein zusammengesetztes Finanzinstrument vorliegt. Der Inhaber des Finanzinstruments ist hiervon ausgenommen. Aus seiner Perspektive liegt nach IAS 32.AG30 immer ein strukturiertes, in den Anwendungsbereich des IAS 39 fallendes Produkt vor.
Tz. 209
Bei zusammengesetzten Finanzinstrumenten ist eine Aufspaltung in Eigen- und Fremdkapitalkomponente vorzunehmen. Nach IAS 32.29 besteht eine Zerlegungspflicht, da auch einzelne Instrumente mit identischen wirtschaftlichen Wirkungen emittiert werden könnten. Eine separate Bilanzierung wird demnach als sachgerecht angesehen.
In der Bilanzierungspraxis ist insbesondere die Wandelanleihe von Bedeutung, die dem Inhaber das Recht bzw. die Pflicht zum Erhalt des Nennbetrags in Aktien einräumt. Hierbei ist zu untersuchen, ob die vermeintliche Eigenkapitalkomponente die durch IAS 32 für die Klassifikation vorgegebenen Bedingungen erfüllt. Ist dies nicht der Fall, ist eine Klassifizierung des gesamten Instruments als finanzielle Verbindlichkeit geboten. Im Regelfall liegt dann gemäß IAS 39 ein strukturiertes Produkt mit eingebettetem Derivat vor, für das vor dem Hintergrund der sich unterscheidenden Risikoprofile – Eigenkapitalrisiko gegenüber Zinsänderungs- bzw. Bonitätsrisiko – eine Trennungspflicht besteht.
Tz. 210
Für Zwecke der Aufspaltung eines zusammengesetzten Finanzinstruments kommt nach IAS 32.31 das sog. Restwertverfahren zum Einsatz. Bei diesem Verfahren ist gemäß IAS 32.32 für die Fremdkapitalkomponente zunächst der beizulegende Zeitwert zu ermitteln. Dieser stellt den Buchwert der Fremdkapitalkomponente im Rahmen des Erstansatzes dar. Die Folgebewertung gestaltet sich nach den Regelungen des IAS 39. Zur Bemessung des beizulegenden Zeitwerts der Fremdkapitalkomponente ist eine Diskontierung der vertraglichen Zahlungsströme mit einem Zinssatz vorzunehmen, der die Marktrendite eines Instruments mit identischer Ausstattung und Bonität widerspiegelt. Der auf diese Weise ermittelte Wert ist vom beizulegenden Zeitwert des Gesamtinstruments zu subtrahieren. Der Differenzbetrag stellt den Wert der Eigenkapitalkomponente dar. Da diese im Anwendungsbereich des IAS 32 verbleibt, ist von einer Folgebewertung abzusehen. Die hier skizzierte Vorgehensweise spiegelt den dem Eigenkapital per definitionem beizumessenden Residualcharakter wider.
bb) Ausgewählte Anwendungsfälle
bb1) Wandelschuldverschreibungen
Tz. 211
Wandelschuldverschreibungen gewähren dem Gläubiger das Recht zur Wandlung der Anleihe (Fremdkapital) in Aktien (Eigenkapital). Während in einem ersten Schritt der Wert der finanziellen Schuld – d. h. der Barwert von Zins und Tilgung – ermittelt wird, ist in einem zweiten Schritt zur Ermittlung des in die Kapitalrücklage einzustellenden Werts des Eigenkapitalinstruments durch Rückgriff auf die Restwertmethode eine Subtraktion des ermittelten Barwerts vom Gesamtwert der Wandelschuldverschreibung vorzunehmen.
BEISPIEL
Bilanzierung einer Wandelanleihe
Die XY-AG emittierte am 1.1.2010 4.000 Wandelanleihen. Diese besitzen eine Laufzeit von drei Jahren, haben einen Nennwert i. H. v. je 1.000 GE und werden zu pari herausgegeben. Das Gesamtvolumen der Emission beläuft sich somit auf 4 Mio. GE. Der nachträglich zahlbare Nominalzins beläuft sich auf 6 % p. a. Die Wandelanleihen können während der gesamten dreijährigen Laufzeit in 250 Stammaktien umgewandelt werden. Der Marktzinssatz für vergleichbare Anleihen ohne Wandlungsrecht liegt zum Ausgabezeitpunkt bei 9 %.
Aufbauend auf den skizzierten Daten ergibt sich für die Fremdkapitalkomponente Nachfolgendes:
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01.01.2010 |
31.12.2010 |
31.12.2011 |
31.12.2012 |
Zahlungsreihe |
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-240.000 |
-240.000 |
4.240.000 |
Diskontierungszinssatz |
9 % |
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Fremdkapitalkomponente (Barwert zum 01.01.2010) |
3.696.243 |
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Als Differenz aus der Fremdkapitalkomponente i. H. v. 3.696.243 GE und dem Emissionserlös i. H. v. 4 Mio. GE ergibt sich eine Eigenkapitalkomponente i. H. v. 303.757 GE.
Tz. 212
Bei der Emission ggf. auftretende Transaktionskosten sind vom Emissionserlös abzuziehen. Gemäß IAS 32.38 sind diese der Eigen- und der Fremdkapitalkomponente im Verhältnis zur Zurechnung der Emissionserlöse zuzuteilen. Transaktionskosten der Eigenkapitaltransaktion sind – unter Minderung sämtlicher damit verknüpfter Ertragssteuervorteile – als Abzug vom Eigenkapital zu bilanzieren, wenn es sich um zusätzliche Kosten handelt, die der Eigenkapitaltransaktion unmittelbar zugerechnet werden können und anderenfalls nicht aufgetreten wären (IAS 32.35 sowie IAS 32.37).
BEISPIEL
Transaktionskosten bei der Bilanz...