Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
aa) Offene und verdeckte Einlagen
aa1) Überblick
Tz. 218
Die besondere Bedeutung der bilanziellen Abbildung von Transaktionen zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft resultiert aus den speziellen Interessenlagen der beteiligten Akteure, aufgrund derer sich die Transaktionen regelmäßig nicht zu marktüblichen Konditionen vollziehen. Die bilanzielle Abbildung solcher Transaktionen ist im IFRS-Regelwerk allerdings nur ganz vereinzelt und ohne Systematik geregelt. Aus der Sicht der empfangenden Gesellschaft ist eine dahingehende Differenzierung geboten, ob es zu einer Abgeltung der Zuwendung eines Vermögensvorteils durch Hingabe zusätzlicher Gesellschaftsrechte kommt:
- Liegt eine Vergütung der Leistung des Gesellschafters durch Gesellschaftsrechte vor, handelt es sich um eine offene Einlage, deren bilanzielle Abbildung als anteilsbasierte Vergütung im Sinne des IFRS 2 erfolgt (IFRS 2.2(a)).
- Kommt es zu einer Leistung des Gesellschafters unter Verzicht auf eine Gegenleistung, liegt eine verdeckte Einlage vor.
Die IFRS beinhalten aus der Sicht der (empfangenden) Gesellschaft lediglich für die offenen Einlagen spezifische Vorgaben für Ansatz, Bewertung, Ausweis und Angaben. Für die verdeckten Einlagen mangelt es an entsprechenden Vorgaben für Ansatz und Bewertung.
aa2) Offene Einlagen
Tz. 219
Bei einer als anteilsbasierte Vergütung abzubildenden offenen Einlage – unter Ausklammerung gesellschaftsrechtlicher Restriktionen (bspw. § 27 Abs. 2 AktG) – empfängt die Gesellschaft von einem Gesellschafter Güter der Dienstleistungen und gewährt im Gegenzug statt Zahlungsmitteln oder anderweitiger Vermögenswerte Gesellschaftsrechte. Aus der Perspektive der (empfangenden) Gesellschaft stellt die Zuwendung von Vermögensvorteilen – Aktivierungsfähigkeit vorausgesetzt – einen Anschaffungsvorgang dar, der GuV-neutral zu erfassen ist. Dabei ist in Bezug auf die Zugangsbewertung ein Tausch – Einlagengegenstand gegen Anteile – anzunehmen. Im Zuge dessen determiniert – entgegen der allgemeinen Bewertungsvorgaben – der Zugangswert des empfangenen Vermögens den Wert der hingegebenen Gegenleistung (IFRS 2.10). Es mangelt an Anschaffungskosten, da die Gewährung der Gesellschaftsrechte keinen Abfluss von Ressourcen zur Folge hat (IFRS 2.BC42). Daher ist im Zugangszeitpunkt, sofern keine Mitarbeiterleistung vergütet wird (IFRS 2.11), der Wert der empfangenen Leistung als maßgeblicher Bewertungsmaßstab anzusehen. Besteht keine Ansatzfähigkeit für den bei einer offenen Einlage zugewendeten Vermögensvorteil, fallen Zugang sowie Verbrauch in zeitlicher Hinsicht zusammen. Das Erfordernis nach einer GuV-wirksamen (Soll-)Buchung besteht insofern nicht. Ist der Einlagegegenstand ein Business- oder ein Finanzinstrument, kommt es zu Besonderheiten bei der Bewertung. Abweichend von den spezifischen Vorgaben für offene Einlagen gelten die generellen Regelungen für den Tausch, d. h. dass der Wert der hingegeben Leistung die Zugangsbewertung des empfangenen Vermögens determiniert.
Tz. 220
Die Bewertung der zugegangenen Anteile richtet sich im (Einzel-)Abschluss des die Einlage leistenden Gesellschafters nach dem Grad der Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit der die Anteile gewährenden Gesellschaft. Bei einfachen Anteilen, mit denen keinerlei Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit einhergeht, ist die Bewertung entsprechend den Vorgaben für Finanzinstrumente nominell zum beizulegenden Zeitwert vorzunehmen (IAS 39.43 bzw. IFRS 9.5.1.1). Ist mit den Anteilen hingegen die Möglichkeit zur Einflussnahme verbunden, ist wahlweise eine Bewertung zu Anschaffungskosten oder als Finanzinstrument (IAS 27.10) gestattet.
aa3) Verdeckte Einlagen
Tz. 221
Bei einer unentgeltlichen Gewährung von Vermögenswerten, Nutzungen oder Diensten durch einen (beherrschenden) Gesellschafter an die Gesellschaft handelt es sich um eine verdeckte Einlage. Es stellt sich dabei die Frage nach einer Einbuchung des Vermögenswerts mit seinem fremdüblichen Preis (beizulegender Zeitwert), so dass eine Einlage anzunehmen wäre. Im Rahmen von Nutzungen und Diensten steht somit die Frage im Raum, ob in der Höhe des fremdüblichen Werts Aufwand (per Aufwand an Eigenkapital) anzunehmen ist.
Tz. 222
Die bestehenden Fragen sind lediglich für die Gewährung von Aktienoptionen durch die Gesellschafter an Arbeitnehmer dieser Gesellschaft geregelt. Nach IFRS 2.3A ff. ist in diesem Fall die Buchung "Aufwand an Eigenkapital" erforderlich. Für anderweitige Fälle mangelt es an entsprechenden Vorschriften. Im Schrifttum wird zum einen eine analoge Anwendung des IFRS 2 vertreten, zum anderen eine Korrektur des Abschlusses um den Effekt der fehlenden Fremdüblichkeit abgelehnt. Nach einer weiteren Auffassung schließt der spezielle Regelungsgehalt des IFRS 2 eine Verallgemeinerung der dort enthaltenen Vorschriften nicht aus, zwingt den Anwender allerdings auch nicht zu einem entsprechenden Rückgriff. Daher liegt ein faktisches Wahlrecht vor, die ...