Dipl.-Kfm. Ingo Harre, Dipl.-Ök. Kevin Lukat
Tz. 69
Für die Bewertung latenter Steuern sind die Steuersätze heranzuziehen, die im Zeitpunkt der Umkehrung anzuwenden sind. Der Unsicherheit in Bezug auf die Ermittlung zukünftig geltender Steuersätze wird wie folgt begegnet:
Die zur Bewertung latenter Steuerposten angewandten Steuersätze müssen entweder auf
- geltendem Recht oder
- zukünftig geltendem und bereits am Bilanzstichtag faktisch (substantively enacted) beschlossenem Recht beruhen (vgl. Tz. 27).
Differenzen zwischen IFRS- und Steuerbilanzwert, die im Rahmen der Zugangsbewertung entstehen, führen nicht zwangsläufig zu einer Steuerlatenz. Zu unterscheiden ist zwischen
- einfachen Zugängen (initial recognition exemption) und
- Zugängen im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen.
Tz. 70
Nach IAS 12.22 kann beim erstmaligen Ansatz eines Vermögenswerts eine temporäre Differenz entstehen, wenn die Anschaffungskosten eines Vermögenswerts steuerlich nicht abzugsfähig sind. Die Bilanzierungsmethode orientiert sich in diesem Fall am zugrunde liegenden Geschäftsvorfall:
- Geschäftsvorfall ist ein Unternehmenszusammenschluss: Einfluss auf die Höhe des goodwill oder des negativen Unterschiedsbetrags
- Geschäftsvorfall betrifft Gewinn vor Steuern oder zu versteuernden Gewinn: Steueraufwand/-ertrag ist ergebniswirksam zu erfassen
- Geschäftsvorfall ist kein Unternehmenszusammenschluss, weder Einfluss auf den Gewinn vor Steuern noch auf das zu versteuernde Einkommen: Eigentlich Anpassung gegen den Buchwert des Vermögenswerts/der Schuld, aber aufgrund initial recognition exemption unzulässig (vgl. Tz. 71) (sofern keine Befreiung gem. IAS 12.15 oder IAS 12.24)
Tz. 71
Weiterhin gilt die sog. initial recognition exemption in IAS 12.15(b) und IAS 12.24, für Differenzen, die im Rahmen des Zugangs eines Vermögenswerts entstehen, wenn der Zugang weder das Ergebnis nach IFRS noch das steuerliche Ergebnis tangiert. In entsprechenden Fällen sind keine latenten Steuern zu bilanzieren. Die Ausnahme wurde in IAS 12 aufgenommen, um keinen Einfluss auf die Zugangsbewertung zu nehmen. Anwendbar ist die initial recognition exemption bspw. für:
- Einlagen von Vermögenswerten
- Investitionszulagen
- Unterschiedliche Qualifikationen eines Leasingvertrags
Das Bilanzierungsverbot setzt sich jedoch nicht zwingend im Rahmen der Folgebewertung fort. So kann es nach Zugang zu einer Erhöhung der temporären Differenzen kommen, die eine Latenzierung in Höhe der entstandenen Differenz nach sich ziehen kann.
Tz. 72
Im Rahmen von Unternehmenserwerben ist die Erfassung latenter Steuern auf temporäre Differenzen aufgrund von goodwill, die sich bspw. aus unterschiedlicher Bestimmung der Anschaffungskosten und/oder der Bewertung der Vermögenswerte ergeben, nicht zulässig. Die hier dargestellten temporären Differenzen beziehen sich lediglich auf die Zugangs- und nicht auf die Folgebewertung. Mögliche Szenarien für auftretende Differenzen zwischen IFRS- und Steuerbilanz sind (Steuersatz: 30 %):
Szenario |
Goodwill lt. IFRS |
Goodwill lt. Steuerbilanz |
Temporäre Differenz |
Latente Steuer |
1 |
100 GE |
0 GE |
100 GE |
Ansatzverbot (IAS 12.15(a)) |
2 |
100 GE |
70 GE |
30 GE |
Ansatzverbot (IAS 12.15(a)) |
3 |
100 GE |
100 GE |
0 GE |
Keine temporäre Differenz |
4 |
90 GE |
100 GE |
10 GE |
3 GE (IAS 12.32 A) |
Ansatz von latenten Steuern auf goodwill |
Einzig zulässig (geboten) ist nach IAS 12.32 A im Rahmen der Zugangsbewertung somit der Ansatz einer latenten Steuer in Höhe des den IFRS-Wert übersteigenden Steuerbilanzwerts (Szenario 4). Ebenso geboten ist nach IAS 12.21B der Ansatz latenter Steuern auf die sich ggf. im Rahmen der Folgebewertung aufgrund unterschiedlicher Wertansätze ergebenden temporären Differenzen (Szenario 2 + 3).