Prof. Dr. Nadine Antonakopoulos
Tz. 100
Nach IFRS 15 sind einerseits mehrere voneinander abgrenzbare Leistungsverpflichtungen innerhalb eines Vertrags zu identifizieren und separat zu bilanzieren (IFRS 15.22, .27). Andererseits sind mehrere Verträge als eine Leistungsverpflichtung zu bilanzieren, wenn sie mit demselben Kunden oder diesem nahe stehenden Parteien, in zeitlicher Nähe abgeschlossen wurden und mindestens ein weiterer der folgenden Punkte zutrifft (IFRS 15.17):
- Die Verträge wurden als Paket mit einer gemeinsamen Zielsetzung verhandelt,
- die Preise der einzelnen Vertragsgegenstände hängen von den Preisen oder Leistungen der anderen Vertragsgegenstände ab oder
- die vertraglichen Leistungsverpflichtungen stellen eine einzige Leistungsverpflichtung nach IFRS 15 dar.
Ein Beispiel hierfür ist der bewusste Abschluss zweier Verträge mit demselben Kunden, wovon aus einem ein Verlust und aus dem anderen ein Gewinn resultiert, der den Verlust kompensiert. Nach IFRS 15 sind die Verträge dann als eine einzige Leistungsverpflichtung zu behandeln.
Tz. 101
Zum Vorliegen einer abgrenzbaren Leistungsverpflichtung sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Einerseits muss es dem Kunden möglich sein, aus dem Vertragsgegenstand einen Nutzen zu ziehen, indem er verwendet, verbraucht, über seinem Schrottwert verkauft oder auf einen andere nutzbringende Art gehalten werden kann. Der Nutzen kann dabei eigenständig oder gemeinsam mit anderen dem Kunden zur Verfügung stehenden Ressourcen generiert werden. Eine dem Kunden zur Verfügung stehende Ressource ist ein Vermögenswert oder eine Leistung, die separat erworben werden kann, oder die der Kunde bereits von dem Unternehmen oder durch andere Transaktionen erhalten hat. Wenn das Unternehmen regelmäßig den betrachteten Vertragsgegenstand separat veräußert oder erbringt, deutet dies darauf hin, dass der Vertragsgegenstand abgrenzbar ist (IFRS 15.28). Es handelt sich hier um die abstrakte Abgrenzbarkeit der Leistung.
Tz. 102
Andererseits hat die Leistungsverpflichtung innerhalb des Vertrags von anderen Leistungsverpflichtungen eigenständig identifizierbar zu sein. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn das Unternehmen die einzelnen vertraglichen Leistungen nicht miteinander zu einem Bündel integriert, das gemeinsam zu dem Ergebnis des Vertrags führt, d. h. der Vertragsgegenstand dient nicht als Input eines kombinierten Output für den Kunden oder der Vertragsgegenstand führt nicht zur Veränderung oder kundenspezifischen Anpassung eines anderen Vertragsgegenstands. Auch wenn der Vertragsgegenstand nicht stark von den anderen Vertragsgegenständen abhängt oder nicht mit diesen in einer Wechselbeziehung steht, kann von einem eigenständigen Vertragsgegenstand ausgegangen werden (IFRS 15.29). Bei dieser zweiten Voraussetzung handelt es sich um die konkrete, auf den zugrunde liegenden Vertrag bezogene Abgrenzbarkeit, bei der die Motivlage des Kunden eine wesentliche Rolle spielt. Ist es für ihn entscheidend, alles als eine kombinierte Leistung von einem Vertragspartner zu erhalten, ist die konkrete Abgrenzbarkeit nicht gegeben. Entscheidet sich der Kunde hingegen für den Abschluss eines Vertrags, der mehrere abstrakt abgrenzbare Leistungsverpflichtungen enthält, um lediglich einen Preisvorteil zu erzielen, liegen auch konkret abgrenzbare Leistungsverpflichtungen vor. Es ist offensichtlich, dass bei der Einschätzung des zweiten Kriteriums zum Vorliegen abgrenzbarer Leistungsverpflichtungen gewisse Ermessensspielräume bestehen, da hierfür die in der Regel nicht objektiv nachprüfbare Beurteilung der Motivlage des Kunden maßgeblich ist. Ein Vertrag über den Verkauf eines Hörgeräts mit Nachbetreuungsleistung enthält demnach zwei separate vertragliche Leistungsverpflichtungen, die Übertragung des Eigentums an dem Hörgerät und die spätere Dienstleistung in Form der Nachbetreuung, wenn der erzielbare Preisvorteil im Vordergrund steht (IFRS 15.38(d)). Der Vertrag kann aber auch als eine einzige Leistungsverpflichtung angesehen werden, wenn durch Altersstruktur und Kaufverhalten der Kunden nachweisbar ist, dass es den Kunden überwiegend um eine Rundumbetreuung aus einer Hand geht.
Tz. 103
Zur Aufteilung des Transaktionspreises auf abgrenzbare Leistungsverpflichtungen vgl. Tz. 69 f.
Tz. 104
An nachfolgendem Beispiel soll die Bilanzierung abgrenzbarer Leistungsverpflichtungen dargelegt werden.
BEISPIEL
Ein Mobilfunkanbieter veräußert Mobiltelefone für 120 EUR an Kunden, die einen Mobilfunkvertrag über zwei Jahre mit einer monatlichen Grundgebühr von 30 EUR abschließen. Die gleichen Mobiltelefone veräußert das Unternehmen ohne bindenden Mobilfunkvertrag für 400 EUR, die monatlichen Grundgebühren ohne den Erwerb eines vergünstigten Mobiltelefons betragen 20 EUR.
Der Vertrag enthält zwei abgrenzbare Leistungsverpflichtungen, da der Kunde das Mobiltelefon auch in Kombination eines Mobilfunkvertrages eines anderen Mobilfunkanbieters verwenden könnte und er den vorliegenden Vertrag nur abgeschlossen hat, um den Preisnachlass zu erhal...