Interview mit Aareon-CEO Harry Thomsen

Aareon kommt nicht zur Ruhe: Die Nachricht der HLRE-Übernahme ist kaum zwei Wochen alt, da wechselt der Softwareanbieter selbst den Stall. Dazwischen fand Aareon-CEO Harry Thomsen Zeit für ein Gespräch.

Als Jörg Seifert, Managing Editor des Haufe-Fachmagazins "Immobilienwirtschaft", Aareon-CEO Hartmut (Harry) Thomsen am 20.6.2024 in Heidelberg zum Interview traf, gab es noch keine Antworten zu einem möglichen Verkauf – nur vier Tage später ist der Deal komplett: Die Aareal Bank und Advent International haben die IT-Tochter verkauft.

Kurz zuvor hatte die Aareon AG mit der Haufe-Lexware Real Estate AG (HLRE) selbst noch eine prominente Übernahme unter Dach und Fach gebracht.

Herr Thomsen, Aareon schlug mal wieder die Pauke, indem sie die Übernahme von Haufe Lexware Real Estate (HLRE) verkündete. Powerhaus, axera, wowinex und die Lexware Hausverwaltung gehören nun zu Ihnen: Brauchen Sie noch mehr Lösungen? Die müssen Sie ja auch alle supporten!

Harry Thomsen: Lassen Sie mich kurz vorweg die Übernahme der Haufe Lexware Real Estate AG einordnen. Die Haufe Group hat im Zuge der Fokussierung auf das Kerngeschäft nach einem idealen Partner für die zukunftsorientierte Weiterentwicklung der HLRE gesucht. Deswegen ist sie proaktiv an Aareon herangetreten. Wir freuen uns sehr, dass die HLRE bald Teil der Aareon-Familie sein wird und unterstreichen mit der Akquisition vor allem unseren strategischen Fokus im Segment der Immobilienverwaltungen. Das Unternehmen hat signifikante Potenziale, die wir langfristig – auch im Sinne der Immobilienbranche – sichern wollen.

Was heißt sichern?

Die HLRE muss auf ein nachhaltig profitables Fundament gestellt werden, da die aktuelle wirtschaftliche Lage des Unternehmens schwierig ist. Dabei haben die Wertschöpfung und der Erfolg aller Kundinnen und Kunden für uns oberste Priorität. Wir wollen den Kunden der HLRE eine sichere Zukunftsperspektive bieten und sie bei der digitalen Transformation unterstützen. Zukünftig können sie auch von unserem umfassenden Lösungsangebot profitieren, ebenso von der Expertise der gesamten Aareon Gruppe sowie von unseren Investitionen in neue Technologien. In das breite Portfolio der HLRE werden wir ebenfalls weiter investieren. Dabei richtet sich der Schwerpunkt unserer Investitionen nach den Bedürfnissen des Marktes sowie der Kunden.

Wie lange werden die Bestandsprodukte weiterentwickelt?

Ich will betonen, dass wir für die Kunden der HLRE Zukunftsperspektiven schaffen und Stabilität sichern wollen. Die on-premise Produkte der HLRE – hierzu zählen wowinex, Powerhaus und die Lexware Hausverwaltung Produktfamilie – wird es auch weiterhin geben. Sie werden auch unter dem Dach der Aareon Gruppe supportet, so dass für die Kunden langfristige Kontinuität und Planungssicherheit gewährleistet sind.

Gilt das auch für das Cloudprodukt axera?

Diejenigen, die Software komfortabel aus der Cloud nutzen wollen, können wir als etablierter SaaS-Anbieter auf ihrem Weg sehr selbstverständlich gut unterstützen. Kunden, die bereits in der Cloud sind, sind für uns ebenfalls sehr wichtig. Wir sind absolut zuversichtlich, dass das neue Setup in der Aareon Gruppe für alle HLRE-Kunden erhebliche Mehrwerte bietet. Wir freuen uns auf die zukunftsorientierte Partnerschaft mit ihnen.

"Die Übernahme der HLRE umfasst die bestehende Belegschaft"

Kommunizieren Sie bereits mit Mitarbeitern und Kunden?

Aktuell müssen wir noch den Abschluss der Transaktion (30.6.2024; Anmerkung der Redaktion) abwarten, bis wir in die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden der HLRE sowie den Kunden einsteigen können. Wir freuen uns aber, das ab Anfang Juli tun zu können. In jedem Fall können sich die Kunden auf unseren Support als Digitalisierungspartner verlassen. Es geht letztlich um ihren Erfolg und eine vertrauensvolle Kundenbeziehung – Transparenz und Dialog sind hier unabdingbar.

Werden HLRE-Kunden irgendwann auf Wodis Yuneo überführt?

Nein. Der überwiegende Teil der Kunden der HLRE sind reine Immobilienverwalter, für deren Anforderungen Wodis Yuneo zu überdimensioniert ist.

Was passiert mit den 240 HLRE-Mitarbeitern im Übernahmepaket?

Die Übernahme der HLRE umfasst die bestehende Belegschaft. Wir freuen uns bereits, die neuen Kolleginnen und Kollegen in der Aareon-Familie willkommen zu heißen. Nach dem Abschluss der Übernahme werden wir gemeinsam mit dem HLRE-Team definieren, welche Struktur zukünftig den Kundenerfolg am besten unterstützt und natürlich auch hilft, die HLRE auf ein nachhaltig profitables Fundament zu stellen.

"Software ist ein Skalierungsgeschäft"

War das die letzte Übernahme von Konkurrenten am deutschen ERP-Markt der Immobilien- und Wohnungswirtschaft?

Aareon war schon immer ein Unternehmen, das Akquisitionen durchgeführt hat. Nehmen wir zum Beispiel die Ursprünge von Wodis Yuneo. Das damalige ERP-System Wodis war bereits im Jahr 2006 Bestandteil einer Übernahme. Aareon hat diese Software stetig weiterentwickelt und mehrfach auf ein neues Level gehoben. Vertrauen und Stabilität sind zentrale Pfeiler unserer Akquisitionsstrategie. Das haben wir mehrfach bei unseren Übernahmen bewiesen. Ein weiteres Beispiel ist die GAP Group, die wir 2021 übernommen haben.

Letztlich verstehen wird uns als Digitalisierungspartner unserer Kunden. Ihnen wollen wir die besten Lösungen bieten, um sie in der Wertschöpfung zu unterstützen. Darüber hinaus ist Software ein Skalierungsgeschäft – nur wer eine gewisse Größe hat, kann kontinuierlich neue Technologien und Entwicklungen in seine Softwarelösungen integrieren.

Die Aareon hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 die Umsatzerlöse um zwölf Prozent auf 344 Millionen Euro gesteigert. Dabei erhöhte sich Anteil der wiederkehrenden Umsätze am Gesamtumsatz von 74 auf 81 Prozent. Ist das das Schöne an diesem Geschäftsmodell: Man geht Anfang des Jahres über Los und hat schon vier Fünftel der Umsätze gemacht?

Stabilität ist für unsere Kunden extrem wichtig. Dazu gehört auch, dass wir als Digitalisierungspartner stabil, berechenbar und finanziell gesund sind. Das Geschäftsmodell hat zahlreiche Vorteile für Kunden und führt gleichzeitig zu stabilen Umsatzerlösen – die Basis für notwendige Investitionen in Produkte, Technologien und IT-Sicherheit.

Bei dieser Gelegenheit will ich auch die Pluspunkte von Cloudlösungen anführen. Sie können ortsunabhängig eingesetzt werden und entsprechen somit den Anforderungen einer hybriden Arbeitswelt. Kunden können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und müssen sich bei den von ihnen eingesetzten Softwarelösungen nicht um Wartung und Updates kümmern – das übernimmt das Softwareunternehmen. Integrierte unternehmensindividuelle digitale Ökosysteme können einfacher auf- und ausgebaut werden und – ebenfalls ganz wichtig – um die Cybersicherheit kümmert sich der Cloudanbieter. Bei Aareon investieren wir stetig in das Thema Sicherheit und werden regelmäßig zertifiziert.

Trotzdem weist Aareon im jüngsten Jahresabschluss aufgrund von Investitionen ein negatives Betriebsergebnis EBT von 72 Millionen Euro aus. Das bereinigte EBITDA stieg allerdings um 33 Prozent auf 100 Millionen Euro. Wie liegen Sie in diesem Jahr auf Kurs zum angestrebten bereinigten EBITDA von 170 Millionen im Jahr 2024?

Aareon investiert mehr als jedes andere Unternehmen in Europa in die Zukunft der Wohnungswirtschaft. Das zeigt sich in unserem EBT im vergangenen Jahr 2023. Die Prognose für den adjusted EBITDA 2024 beläuft sich auf 160 Millionen Euro bis 170 Millionen Euro – und wir kommen diesem Ziel stetig näher.


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