Fahrtkosten: Uneingeschränkter Betriebsausgabenabzug

Wenn es um Fahrtkosten geht, trifft die Finanzverwaltung eine kleine, aber sehr feine Unterscheidung zwischen erster Tätigkeitsstätte und anderen beruflich relevanten Einsatzstellen. Ob lediglich die Entfernungspauschale zum Tragen kommt oder  die vollständigen Fahrtkosten geltend gemacht werden können, macht steuerlich einiges aus. Der Bundesfinanzhof hat für Selbstständige mit ständig wechselnden Betriebsstätten nun positive Klarheit geschaffen.

Steuerlich und damit finanziell macht es einen Unterschied, ob Selbstständige von ihrer Wohnung zur ersten Betriebsstätte fahren oder ob sie bei verschiedenen Kunden unterwegs sind. Ebenso wie Arbeitnehmer können sie Fahrtkosten zur ersten Betriebs- bzw. Tätigkeitsstätte nur mit der Entfernungspauschale geltend machen – und damit jeweils lediglich die einfache Entfernung pauschal mit 0,30 Euro pro Kilometer. Bei Geschäftsreisen oder auch ständig wechselnden Einsatzorten können dagegen grundsätzlich alle Fahrtkilometer – entweder pauschal mit 0,30 Euro oder mit den anteilig ermittelten tatsächlichen Kfz-Kosten – angesetzt werden.

Das dachte sich auch eine freiberufliche Musiklehrerin. Sie unterrichtete an mehreren Kindergärten und Schulen im Auftrag einer Musikschule. Einmal pro Woche fuhr sie mit ihrem privaten Fahrzeug zu jeder Einrichtung, zusätzlich außerdem zur Musikschule selbst und einige Male zu anderen Zielen. Den Unterricht bereitete die Lehrerin in ihrem häuslichen Arbeitszimmer vor, wo sie auch die Instrumente lagerte.

Ihre Fahrtkosten machte sie im betroffenen Jahr 2008 pauschal mit 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer geltend. Insgesamt belief sich der Betrag auf 1.137 Euro. Das Finanzamt jedoch erkannte die Kosten nur zur Hälfte an mit der Begründung, es handele sich um Fahrten zwischen Wohnung und verschiedenen Betriebsstätten. Die Konsequenz: Die Musiklehrerin dürfe nur die Entfernungspauschale für die einfache Entfernung ansetzen.

Das Finanzgericht befand diese Auslegung für zu eng – ebenso wie der Bundesfinanzhof, der den Fall nun zu entscheiden hatte (Az. III R 19/13). Genau wie ein Arbeitnehmer nicht mehrere regelmäßige Arbeitsstätten haben könne, müssten im Sinne der Gleichbehandlung auch Selbstständige diese Regelung in Anspruch nehmen können. Der Bundesfinanzhof stellte zwar heraus, dass der Begriff einer Betriebsstätte weiter zu fassen sei; so schließe beispielsweise auch ein häufiger Wechsel der Einsatzstelle nicht aus, dass der jeweilige Beschäftigungsort eine Betriebsstätte sein könne. Folge man dieser Auslegung, stellten etwa Unterrichtsräume, in denen ein selbstständig Tätiger seine Leistungen gegenüber Kunden erbringe, durchaus Betriebsstätten dar.

Der Bundesfinanzhof ließ dieser grundsätzlichen Ausführung jedoch ein großes „Aber“ folgen. Denn Fahrtkosten zwischen Wohnung und Betriebsstätte bei Selbstständigen sollten genauso behandelt werden wie Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei Arbeitnehmern. Der Gesetzgeber beabsichtige hier ganz klar eine Gleichbehandlung – und dies sei zu berücksichtigen. Die Folge: Für Selbstständige müssten die gleichen Ausnahmen gelten wie für Arbeitnehmer. Und da Arbeitnehmer bei ständig wechselnden auswärtigen Tätigkeitsstätten grundsätzlich ihre tatsächlichen Aufwendungen geltend machen dürften, sei die Regelung auf Selbstständige zu übertragen.

Ist also keine der verschiedenen Betriebsstätten im Vergleich mit den anderen zentral, seien die Kosten für die beruflichen Fahrten komplett abzugsfähig. Denn die Musiklehrerin sei mit einem Arbeitnehmer vergleichbar, der sich zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten begeben müsse.

Praxistipp

Das Urteil des Bundesfinanzhofs bezieht sich zwar noch auf die Vorschriften vor der Reisekostenreform. Aber auch nach dem seit 2014 geltenden neuen Reisekostenrecht sind Aufwendungen für Fahrten zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar – entweder mit der Pauschale für Dienstreisen oder mit den anteiligen tatsächlichen Kilometerkosten. Die Entfernungspauschale greift nur dann, wenn es eine erste Betriebsstätte gibt, an der Selbstständige täglich oder an zwei vollen Wochentagen arbeiten.