Britta Schönborn
Das Thema "Altersvorsorge" beschäftigt Familienrechtler insbesondere im Unterhaltsrecht.
Die Höhe der Abzüge ist weitgehend geklärt: Primäre und sekundäre Altersvorsorge werden mit insgesamt 22,6 % des Bruttoeinkommens angesetzt (bzw. 23,6 % beim Elternunterhalt). Altersvorsorge wird nur auf Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit akzeptiert, nicht aber auf Einkünfte aus Vermietung oder Vermögen, da diese Einkünfte auch im Alter weiterhin zur Verfügung stehen. Dass ein Abzug der Altersvorsorge, die erst nach der Trennung oder nach Einleitung des Scheidungsverfahrens begonnen wird, im Widerspruch zum Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen stehen könnte, wird in der Rechtsprechung ebenso wenig problematisiert wie eine Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes durch die Abzüge, die besonders bei höheren Einkommen zu einer deutlichen Reduktion der Unterhaltsansprüche führen. Für den Altersvorsorgeunterhalt hat der BGH in seiner Entscheidung vom 25.9.2019 – XII ZB 25/19 klargestellt, dass auch hier sekundäre Altersvorsorge verlangt werden kann und insoweit ein Äquivalent zur Vorsorge des Unterhaltspflichtigen bestehen soll. Die Vorsorge der unterhaltsberechtigten wird dennoch geringer sein als die der unterhaltspflichtigen Person. Jedenfalls nach dem Beginn des Scheidungsverfahrens führt dies zu einem deutlichen Ungleichgewicht im Bereich der Altersvorsorge. Die Akzeptanz verschiedener Arten der Vorsorge unterliegt einer Entwicklung. Waren zunächst nur "echte" Vorsorgeprodukte wie Lebens- und Rentenversicherungen anerkannt, sind inzwischen auch Immobilien, Wertpapiere und Sparverträge als Altersvorsorge akzeptiert. Ein Umdenken zeichnet sich jedoch ab: Die Ausführungen des BGH am Schluss der Entscheidung vom 23.10.2024 – XII ZB 6/24 (Rn 56) lassen darauf schließen, dass die Freiheit bei der Wahl der Anlageformen zukünftig wieder stärker eingeschränkt werden wird. Insbesondere Anlagen, die vor Erreichen des Rentenalters aufgelöst werden können, werden künftig möglicherweise nicht mehr akzeptiert. Vielleicht möchte der BGH eine Gerechtigkeitslücke schließen: In der Entscheidung vom 22.9.2021 – XII ZB 544/20 hat der BGH klargestellt, dass die Rechtsprechung zum Abzug verschiedener Formen der Altersvorsorge beim Unterhaltspflichtigen nicht auf die Verwendung des Altersvorsorgeunterhaltes zu übertragen sei, den Unterhaltsempfängern wurden also nicht die bislang vielfältigeren Möglichkeiten der Unterhaltspflichtigen zugebilligt. Angesichts der bisherigen – z.T. sehr unbefriedigenden – Wertentwicklung von Renten- oder Lebensversicherungen mit Abschluss- und Verwaltungsgebühren sowie der Möglichkeiten von Finanzprodukten wie z.B. ETFs, scheint eine restriktivere Handhabung nicht unbedingt sinnvoll zu sein. Der Erwerb von Immobilien, der bei steigenden Zinsen i.d.R. Eigenkapital erfordert, ist nicht für alle möglich oder setzt zumindest voraus, Eigenkapital ansparen zu dürfen. Auch Anlagen wie Gold – in der Vergangenheit ertragreicher als Versicherungen –, sollten als Altersvorsorge zulässig sein. Versicherungen können überdies i.d.R. ebenfalls gekündigt und vorzeitig ausgezahlt werden.
Schließlich bleibt die Frage, wie Vorsorgeaufwendungen im Einzelnen nachzuweisen sind. Zur Verminderung von Unterhaltszahlungen kann z.B. nicht aus Einkommen, sondern durch Umschichtung von Vermögen "vorgesorgt" werden, was den eigentlichen Zweck der Altersvorsorge unterläuft. Dem kann nur durch erweiterte Auskunftspflichten begegnet werden: Danach müsste nicht nur nachgewiesen werden, dass Aufwendungen getätigt werden, sondern auch die entsprechende Erhöhung des Gesamtvermögens durch diese Aufwendungen. Anders lässt sich nicht nachvollziehen, dass tatsächlich zusätzlich und aus laufendem Einkommen vorgesorgt wird. Die aktuelle Rechtsprechung und veränderte Anlageempfehlungen geben Anlass, über Altersvorsorge im Unterhaltsrecht weiter zu diskutieren. Freiheit bei der Wahl der Vorsorgeformen für Unterhaltszahler wie auch -empfänger bei gleichzeitig gerechter Verteilung des eheprägenden Einkommens zwischen den Ehepartnern sollte das Ziel sein. Das Unterhaltsrecht muss diesen Herausforderungen gerecht werden und die Altersvorsorge als wichtigen Bestandteil der finanziellen Absicherung praxisnah weiterentwickeln.
Autor: Britta Schönborn
Britta Schönborn, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Hamburg
FF 4/2025, S. 133