Sarah Müller, Prof. Dr. Stefan Müller
Zusammenfassung
Mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die größte Änderung der Rechnungslegung seit Jahrzehnten erfolgt. Viele (große) Unternehmen sind – bereits ab 2024 – direkt betroffen. Ebenso sind viele weitere Unternehmen indirekt betroffen. Die EU fordert im Rahmen der Transformation zu einer klimaneutralen und nachhaltigeren Wirtschaft sehr umfangreiche Informationen im Lagebericht, für die in den wenigsten Fällen die nötigen Systeme bereits vorhanden sind. Die neue EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) wurde Ende November 2022 final verabschiedet, ein 1. Set an europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) wurde im Juli 2023 verabschiedet und im August 2024 in einer korrigierten deutschen Übersetzung im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Verspätet befindet sich die CSRD im deutschen Umsetzungsverfahren. Am 26.2.2025 hat die EU-Kommission umfangreiche Vorschläge zur formalen Entschärfung der Regulierung vorgelegt, die sich aktuell in der konkreteren Ausgestaltung und der weiteren politischen Umsetzung befinden.
Mehr zu den aktuellen Entwicklungen erfahren Sie auch im Beitrag "Omnibus-Initiative: Entwurf mit weitreichenden Änderungen an CSRD, EU-Taxonomie und CSDDD veröffentlicht".
Umsetzung der CSRD in nationales Recht
Das CSRD-Umsetzungsgesetz wurde nicht bis zum 31.12.2024 beschlossen. Die Nichtumsetzung der CSRD hat u. a. zur Folge, dass die 1. Gruppe der Unternehmen nicht mehr zur Nachhaltigkeitsberichterstattung für 2024 verpflichtet werden kann. Die Vorschläge der EU-Kommission zur Überarbeitung der CSRD gehen von einer bereits erfolgten Umsetzung der CSRD aus. Somit bleibt es für die 1. Gruppe ("Welle") der Unternehmen von öffentlichem Interesse (§ 316a HGB), die mindestens groß nach § 267 HGB sind und über mehr als 500 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt verfügen, bei einer Erstanwendung direkt nach Umsetzung. Ggf. wird die Mitarbeiterzahl aber später angehoben auf 1.000, wie für die übrigen Unternehmen der 2. Welle.
1 Hintergrund zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Rz. 1
Zur Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität und der Stärkung der Nachhaltigkeit im Rahmen des Green Deals wurden vom europäischem Verordnungs- und Richtlinien- sowie vom deutschen Gesetzgeber verschiedenste Regulierungen angestoßen bzw. bereits umgesetzt. Dabei kommen neben direkten Eingriffen, wie etwa dem Emissionshandel, Vorgaben für die Produktausgestaltung oder Festlegung sozialer Mindeststandards, auch eher indirekt wirkende Maßnahmen zur Anwendung, wie die Schaffung von Transparenzanforderungen und Vorgaben zur Lenkung der Finanzströme in nachhaltige Geschäftsmodelle. Die Nachhaltigkeitsaspekte (sog. ESG-Aspekte) werden dabei weit verstanden und wie inzwischen international üblich unterteilt in die Bereiche:
- Environmental/Umwelt,
- Social/Soziales,
- Governance/verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung.
An diesen Zielen ändern die umfangreichen Vorschläge der EU-Kommission für eine Omnibus-Initiative zur Änderung der Regulierung im Bereich der Nachhaltigkeits- und Sorgfaltspflichtenregulierung grundsätzlich nichts. Formal werden Änderungen der bestehenden Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive EU 2022/2464, CSRD), zu den Sorgfaltspflichten (Corporate Sustainability Due Diligence Directive EU 2024/1760, CSDDD), zur Prüfung (2006/43/EC) und der allgemeinen Bilanzrichtlinie 2023/34/EU vorgeschlagen. Im weiteren Verfahren müssen diese aber noch mit dem EU-Parlament und -Rat abgestimmt, beschlossen und veröffentlicht werden. Erst 20 Tage nach der Veröffentlichung treten die Änderungen dann in Kraft und müssen innerhalb bestimmter Fristen von den nationalen Gesetzgebern umgesetzt werden. Zentraler Ansatzpunkt der Vorschläge ist eine Fokussierung der Regulierungen auf Unternehmen oder Konzerne mit mehr als 1.000 Beschäftigten sowie – je nach konkreter Regulierung – mehr als 50 bzw. 450 Mio. EUR Umsatzerlösen (bei den 50 Mio. EUR Umsatzerlösen können alternativ auch bereits 25 Mio. EUR Bilanzsumme ausreichen). Gleichzeitig sollen alle nicht betroffenen Unternehmen viel stärker als bislang von dem sog. Trickle-Down-Effekt, also die indirekte Auswirkung der Berichtspflicht auf nicht betroffene (kleinere) Unternehmen, geschützt werden. So soll es ausreichend sein, die komplett geforderten Informationen nur der CSRD-pflichtigen Unternehmen der Wertschöpfungskette in die Berichterstattung einzubeziehen – für alle anderen Unternehmen sollen maximal die deutlich reduzierten Informationen eines deutlich vereinfachten freiwilligen Berichterstattungsstandards abgerufen werden dürfen. Das hebelt den Kern der bisher verabschiedeten Regulierung stark aus und gefährdet letztlich damit auch das Erreichen der übergeordneten Klima- und Nachhaltigkeitsziele stark. Für die künftig ggf. nicht mehr von der CSRD betroffenen Unternehmen plant die EU-Kommission, den im Dezember von der EFRAG vorgestellten ESRS für die freiwillige Berichterstattung von KMU (VSME-ESRS) im EU-Recht als freiwillig anzuwendende...