Der Jahresabschluss wird im § 18 KWG wörtlich erwähnt. Er ist sozusagen die "Königsdisziplin" der quantitativen Analyse im Rating. Und natürlich ist er für das Unternehmen selber von entscheidender Bedeutung: In der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) hält er fest, wie erfolgreich das Unternehmen im abgelaufenen Geschäftsjahr gearbeitet hat. In der Bilanz dokumentiert er (hoffentlich) die Stabilität der dem Geschäftsmodell zugrunde liegenden Strukturen und legt damit auch die Basis für die Weiterentwicklung in den Folgejahren. Im Anhang werden weitere Details und Besonderheiten zu GuV und Bilanz beschrieben.
Für Unternehmen, die eine Einnahme-Überschuss-Rechnung erstellen, gelten die nachfolgenden Überlegungen entsprechend.
Kreditgeber werten in der Regel die letzten 3 Jahresabschlüsse aus. Dabei sind aus Kreditgebersicht 2 Aspekte besonders wichtig:
→ Bis wann übersendet das Unternehmen den Jahresabschluss zum letzten Geschäftsjahr? Hintergrund: Kreditinstitute entscheiden am liebsten auf der Basis endgültiger Zahlen. Die Ratingfragen zu den Einreichungsfristen geben den Unternehmen durchaus viel Zeit. So kommt es im Rating der Genossenschaftsbanken z. B. erst zu einer Rückstufung der Ratingnote, wenn der letzte Jahresabschluss älter als 24 Monate ist. Dies sollten Unternehmen aber nicht als "Freibrief" missverstehen. Denn bereits vorher werden sich Kreditinstitute mit Kreditentscheidungen schwertun, wenn keine aktuellen, finalen Zahlen – also Jahresabschlüsse – vorliegen. Ganz abgesehen davon, dass der Gesetzgeber im Handelsgesetzbuch für kleine Kapitalgesellschaften lediglich eine Frist von 6 Monaten für das Erstellen des Jahresabschlusses einräumt.
Aus Unternehmenssicht bedeutet das: Den Jahresabschluss möglichst frühzeitig erstellen, wenn alle Verhältnisse aus dem Vorjahr noch präsent sind. Damit hat das Unternehmen das letzte Jahr abgeschlossen und eine klare Zahlen-Ausgangsbasis für die weiteren Ziele und Aktivitäten.
→ Welche Bilanzpolitik hat das Unternehmen verfolgt? Wenn Unternehmen ihren Jahresabschluss erstellen, treffen sie eine ganze Reihe von Entscheidungen: Sie bewerten z. B. ihre Vorräte und ihre Kundenforderungen sowie halbfertige und fertige Arbeiten. Sie entscheiden, welche Rückstellungen sie für mögliche Risiken bilden. Sie treffen auch immer wieder Entscheidungen über die Verwendung des Jahresüberschusses; z. B. ob ein Teil davon für die Erhöhung des Eigenkapitals verwendet wird. Für die meisten dieser Entscheidungen gibt das Handelsgesetzbuch den Unternehmen einen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum an die Hand. Und genau darin liegt das Interesse der Kreditgeber: Wie hat ein Unternehmen diesen Entscheidungsspielraum genutzt? Hat das Unternehmen die Vermögensgegenstände wie Vorräte und Forderungen sehr selbstkritisch, also vorsichtig, also möglichst niedrig bewertet und Rückstellungen möglichst vorsichtig, also möglichst hoch angesetzt – und damit eine "konservative" Bilanzpolitik betrieben im Sinne des "vorsichtigen Kaufmanns"? Oder hat das Unternehmen eher gegenteilig gehandelt und eine "progressive" Bilanzpolitik betrieben?
Aus Unternehmenssicht bedeutet das: Den Jahresabschluss sehr bewusst erstellen, vor allem die Entscheidungen zu Strukturen und Bewertungen sehr bewusst treffen. Klar ist aus Unternehmenssicht: Eine konservative Finanzpolitik führt zu einem geringeren Jahresüberschuss als eine progressive. Das ist aus unternehmerischer Vorsicht normalerweise der gewollte Weg, der natürlich auch zu einer geringeren Steuerlast führt.
Konsequenz für Unternehmen: Erstellen Sie den Jahresabschluss jeweils zügig, spätestens bis zum 30.6. des Folgejahres. Treffen Sie bewusste Bewertungs- und Struktur-Entscheidungen, damit Ihr Jahresabschluss die gute Bonität Ihres Unternehmens widerspiegelt.
Wenn Sie das Thema vertiefen möchten: Sie finden in "Ratingverfahren im Detail", Kapitel 4.5 die Vorgehensweise der Genossenschaftsbanken im Finanzmodul des VR-Rating. Mit den Angaben dort können Sie tiefer in die Analyse Ihrer Jahresabschlusszahlen einsteigen.