Nachgehend
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-09 S 51/22) |
Tenor
Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 20.6.2022, Az. 33 C 1230/22 (76) wird aufrechterhalten.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung vom 9.3.2022.
Die Kläger sind Teilhaber der Beklagten. Die Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus den Klägern (Wohnung Nr. 1, 21/100 MEA), den Eheleuten A (Wohnung Nr. 2, 25 MEA) und Frau B (Wohnungen Nrn. 3 und 4, insgesamt 54 MEA). Die Rechtsverhältnisse der Teilhaber untereinander sind der Teilungserklärung vom 4.11.1997 (Bl. 20 ff d.A.) geregelt. Unter Tagesordnungspunkt (im Folgenden: TOP) 9.9 (Beschlussfassung zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Hausstatik im Zusammenhang mit der nicht genehmigten baulichen Veränderung bezüglich des Wintergartens in der Wohnung Nr. 1) wurden der genannte Beschluss gefasst. Wegen des genauen Wortlauts wird auf das Protokoll vom 9.3.2022 (Bl. 3 ff. d.A.) Bezug genommen.
Mit der am 7.4.2022 bei Gericht eingegangenen Klage haben die Kläger den genannten Beschluss der Eigentümerversammlung vom 9.3.2022 angefochten. Der Gerichtskostenvorschuss ist nach gerichtlicher Anforderung vom 13.4.2022 am 19.4.2022 geleistet worden. Die Klage ist der Hausverwaltung am 29.4.2022 zugestellt worden. Die Klagebegründung ist am 9.5.2022 bei Gericht eingegangen.
Die Kläger sind der Auffassung, der Beschluss sei nicht wirksam zustande gekommen. Bei der Eigentümerversammlung sei lediglich Frau B anwesend gewesen. Damit seien die Voraussetzungen der Teilungserklärung in Teil II § 16 Ziffer 4 nicht erfüllt. Der Versammlung sei nicht beschlussfähig gewesen.
Die Kläger haben gegen die Beklagten ein Versäumnisurteil erwirkt, durch das der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 9. März 2022 unter TOP 9.9 (Beschlussfassung zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Hausstatik im Zusammenhang mit der nicht genehmigten baulichen Veränderung bezüglich des Wintergartens in der Wohnung Nr. 1) für ungültig worden ist. Gegen das am 20.6.2022 durch Zustellung verkündete Versäumnisurteil hat die Beklagte mit am 22.6.2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Die Kläger beantragen nunmehr,
das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 20.6.2022, Az. 33 C 1230/22 (76) aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 20.6.2022, Az. 33 C 1230/22 (76) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch ist zulässig. Der gegen das Versäumnisurteil vom 20.6.2022 statthafte Rechtsbehelf ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 338, 339 ZPO. In der Sache führt er zu keiner abweichenden Entscheidung.
Die Klage ist begründet.
Die Anfechtungsfrist des § 45 WEG ist eingehalten. Die Zustellung der Klage am 29.4.2022 kann unter Berücksichtigung der durch die Verfügungen des Gerichts verursachten Zeiträume als fristgerecht angesehen werden.
Zunächst ist aufgrund des vorgelegten Protokolls und der darin wiedergegebenen Feststellungen davon auszugehen, dass die Beschlüsse auch verkündet wurden.
Der in der Eigentümerversammlung vom 9.3.2022 zu TOP 9.9 gefassten Beschluss ist ungültig. Die Versammlung vom 9.3.2022 war nicht beschlussfähig.
Gemäß Teil II § 16 Ziffer 4 der Teilungserklärung vom 4.11.1997 ist die Wohnungseigentümerversammlung beschussfähig, wenn sowohl mehr als die Hälfte der Miteigentümer als auch mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist. Dies war erkennbar nicht der Fall, weil allein Frau B persönlich anwesend. Die übrigen Wohnungseigentümer nahmen an der Versammlung nicht teil und ließen sich auch nicht vertreten.
Der Anwendung dieser Regelung in der Teilungserklärung steht auch nicht § 47 WEG n.F. entgegen. Aus der Teilungserklärung folgt, dass die dort getroffenen Regelungen auch dann fortgelten sollten, wenn sich die gesetzlichen Regelungen ändern. Die Vermutung des § 47 Satz 2 WEG n.F. greift nicht. Denn die in der Teilungserklärung statuierten Anforderungen an die Vertretung von Personen und Miteigentumsanteilen in der Versammlung, um eine Beschlussfähigkeit zu begründen, stellten gegenüber der nach dem WEG in der alten Fassung erforderlichen Vertretung und Mehrheitsverhältnissen eine Verschärfung dar. Dass die Wohnungseigentümer diese Verschärfung für den Fall, dass das Gesetz sich ändert, wieder lockern wollten, kann nicht angenommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO....