Revision eingelegt (BFH II R 15/25)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer: Keine verfassungsrechtlichen Zweifel an dem Flächen/Wohnlagenmodell des Hamburger Grundsteuergesetzes
Leitsatz (amtlich)
1. Das Hamburgische Grundsteuergesetz (HmbGrStG) ist im Hinblick auf die Bewertungsebene verfassungsgemäß.
2. Die Hamburgische Grundsteuer ist eine Steuer im finanzverfassungsrechtlichen Sinn. Die Rechtfertigung der Grundsteuer mit nicht gedeckten Kosten öffentlicher Infrastrukturaufwendungen begründet kein Gegenleistungsverhältnis zwischen dem steuerpflichtigen Grundbesitzer und der Gebietskörperschaft, die die Infrastruktur zur Verfügung stellt.
3. Wird eine Steuer als Objektsteuer für Grundbesitz erhoben, handelt es sich auch dann um eine Grundsteuer im kompetenzrechtlichen Sinn der Finanzverfassung, wenn sie wertunabhängig nach Grundbesitzflächen (Flächenmodell) bemessen wird.
4. Unter Berücksichtigung des großen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Auswahl des Belastungsgrunds einer Steuer (ständige Rechtsprechung des BVerfG) kann mit der Grundsteuer das (bloße) Innehaben von Grundbesitz belastet werden.
5. Grundstücks- und Gebäudeflächen sind prinzipiell geeignet, den Belastungsgrund "Innehaben von Grundbesitz"zu erfassen und in der Relation realitäts- und damit gleichheitsgerecht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG zu bemessen.
6. Es bestehen keine Bedenken, Gebäudeflächen gegenüber Grundstücksflächen um den Faktor 12,5 höher zu besteuern.
7. Bei einem etwaigen Belastungsgrund"Möglichkeit zur Nutzung der öffentlichen Infrastruktur" bestehen, jedenfalls bei einem Erhebungsgebiet wie dem Stadtstaat Hamburg, das insgesamt einen städtischen Ballungsraum darstellt, keine durchgreifenden Bedenken dagegen, Grundsteuer nach dem Flächenmodell zu erheben. Das Flächenmodell ist prinzipiell geeignet, auch diesen Belastungsgrund in der Relation realitäts- und damit gleichheitsgerecht zu bemessen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein größeres Nutzungspotential von Gebäudeflächen gegenüber Grundstückflächen berücksichtigt wird.
8. Es steht nicht fest, dass der wirtschaftliche Wert von Grundbesitz die Möglichkeit zur Nutzung der öffentlichen Infrastruktur derart widerspiegelt, dass eine an diesem Belastungsgrund ausgerichtete Grundsteuer in der Relation nicht realitäts- und damit gleichheitsgerecht ist, wenn sie unabhängig von diesem Wert (wertunabhängig) erfolgt.
9. Das Hamburger Grundsteuergesetz ist nicht deswegen verfassungswidrig, weil es bei der Festsetzung der Grundsteuer zu Übermaßbesteuerungen kommen könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Übermaßbesteuerung gegebenenfalls nicht nach Anwendung aller in Betracht kommenden Erlass- und sonstigen Vorschriften, nötigenfalls aufgrund ihrer verfassungskonformen Auslegung vermieden werden kann.
Normenkette
GG Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7, Art. 105 Abs. 2 Sätze 1, 7; HmbGrStG §§ 1, 3-4, 6-8, 11
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit des Hamburgischen Grundsteuergesetzes vom 24.08.2021 in der am Tag der mündlichen Verhandlung (13.11.2025) geltenden Fassung (HmbGVBl.2024, S. 554 - HmbGrStG -).
I.
Der hamburgische Gesetzgeber hat unter Bezugnahme auf die Kompetenzvorschrift in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 des Grundgesetzes (GG) durch das Hamburgische Grundsteuergesetz Abweichungen zum Grundsteuergesetz vom 07.08.1973 (BGBl. I 1973, 965 - GrStG-), das zuletzt durch Artikel 32 des Gesetzes vom 02.12.2024 (BGBl. I 2024. 387) geändert worden ist, normiert.
Das Hamburgische Grundsteuergesetz ist keine grundsteuerrechtliche Vollregelung, sondern knüpft an das Grundsteuergesetz des Bundes an und modifiziert es partiell. Hinsichtlich der Grundsteuer A für Grundstücke von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft sieht das Hamburgische Grundsteuergesetz nur in Einzelpunkten abweichende Regelungen vor. Für - im vorliegenden Fall nicht betroffene - unbebaute, baureife Grundstücke gilt die Grundsteuer C.
Für das (übrige) Grundvermögen wird die sogenannte Grundsteuer B erhoben. Verfahrensrechtlich folgt das Hamburgische Grundsteuergesetz der Dreistufigkeit des Grundsteuergesetzes des Bundes. Im Grundsteuerwertfeststellungsverfahren ergeht der - im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche - Grundsteuerwertbescheid (erste Verfahrensstufe). Es folgt ein Grundsteuermessbescheid (zweite Verfahrensstufe) und den Abschluss bildet das Grundsteuerfestsetzungsverfahren (dritte Verfahrensstufe); die festzusetzende Grundsteuer ergibt sich durch eine Multiplikation des Grundsteuermessbetrags mit dem Hebesatz.
Materiell-rechtlich unterscheidet sich die Grundsteuer B in Hamburg wesentlich von der des Grundsteuergesetzes des Bundes. Die Bemessungsgrundlage für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens ("Grundstücke") ist ein allein an der Grundstücks- und Gebäudefläche orientierter Grundsteuerwert. Es werden die Flächen des Grund und Bodens sowie die Wohn- und Nutzflächen der Gebäude jeweils mit sog. Äquivalenzzahlen- für Grund und Boden grundsätzlich 0,04 €/m² und für Gebäude s...