Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen durch die Gewerkschaft
Leitsatz (redaktionell)
Ein Land darf einer Gewerkschaft untersagen, seine Mitglieder und sonstige Arbeitnehmer zu Streiks aufzurufen und/oder Streiks in den Kitas der Kita-Eigenbetriebe des Landes durchzuführen, um seine Streikforderungen zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über die Regelung einer Mindestpersonalausstattung, Regelungen zum Belastungsausgleich (Konsequenzenmanagement) im Falle der Nichteinhaltung der Mindestpersonalausstattung und mehr Zeit für die Ausbildung durchzusetzen.
Normenkette
BGB § 1004 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.09.2024; Aktenzeichen 56 Ca 11777/24) |
Tenor
I. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. September 2024 - 56 Ca 11777/24 - wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung des verfügungsklagenden Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin teilweise abgeändert:
Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die im Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. September 2024 unter Ziffer I. aufgeführten Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von EUR 250.000,00 EUR ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an einem Mitglied des Bundesvorstandes, angedroht.
Im Übrigen wird die Anschlussberufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben das verfügungsklagende Land 25 % und der Verfügungsbeklagte 75 % zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des verfügungsklagenden Landes auf Unterlassung von Arbeitskampfmaßnahmen durch die verfügungsbeklagte Gewerkschaft (im Folgenden: Verfügungsbeklagter).
Das verfügungsklagende Land betreibt mittels fünf Eigenbetrieben 286 Kitas, in denen ca. 35.000 Kinder - so das verfügungsklagende Land - bzw. ca. 27.936 Kinder - so der Verfügungsbeklagte - betreut werden. In den Kitas werden knapp 8.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt.
Das verfügungsklagende Land ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL).
In der Satzung der TdL ist auszugsweise Folgendes geregelt:
"§ 6 Mitgliedschaft
(1) ...
(2) Die Mitgliedschaft endet durch Austritt oder durch Ausschluss durch die Mitgliederversammlung, bei Landesgruppen auch im Falle des Verlustes des beherrschenden Einflusses des Landes. ...
...
§ 7 Pflichten der Mitglieder
Die Mitglieder sind verpflichtet,
1. ...
2. die Beschlüsse der Mitgliederversammlung und des Vorstandes zu befolgen,
3. Tarifverhandlungen nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung aufzunehmen sowie
Tarifverträge und sonstige Vereinbarungen im Sinne von § 1 Abs. 2 nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung zu schließen,
4. übertarifliche Maßnahmen - abgesehen von Einzelfällen ohne grundsätzliche Bedeutung - nur mit Ermächtigung der Mitgliederversammlung zu beschließen und durchzuführen,
5. ...
§ 12 Aufgaben der Mitgliederversammlung
Die Mitgliederversammlung hat folgende Aufgaben:
1. ...
4. Beschlussfassung über Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern,"
Hinsichtlich des vollständigen Inhalts der Satzung wird auf die Anlage AG 12a (Bl. 286 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das verfügungsklagende Land war 1994 aus der TdL ausgeschlossen und 2013 wieder in die TdL aufgenommen worden.
In der Sitzungsniederschrift der Mitgliederversammlung der TdL am 26. Oktober 2020 heißt es auszugsweise:
II. Tagesordnung
1. ...
2. Hauptstadtzulage
2. Der Beschluss zu Ziffer 1 wird wirksam, wenn das Land Berlin
Die Mitgliederversammlung beschließt anschließend einstimmig und ohne Enthaltung:
"1. Die TdL missbilligt die satzungswidrige, übertarifliche Zahlung einer Hauptstadtzulage durch das Land Berlin scharf. Das Land Berlin wird deshalb aus der TdL ausgeschlossen.
2. Der Beschluss zu Ziffer 1 wird wirksam, wenn das Land Berlin a) erneut gegen die Satzung der TdL verstößt oder
b) die satzungswidrige übertarifliche Zahlung der Hauptstadtzulage nicht bis zum 31. Oktober 2025 einstellt.
Die TdL fordert das Land Berlin auf, die satzungswidrige, zusätzliche freiwillige Arbeitgeberleistung schnellstmöglich einzustellen. Sie fordert vom Land Berlin ein eindeutiges Bekenntnis zum Flächentarifvertrag.
3. Der Eintritt der Bedingungen gemäß Ziffer 2 Buchstaben a und b wird von der Mitgliederversammlung der TdL überprüft und festgestellt. Sollte zu diesem Zeitpunkt die Entwicklung des Tarifgefüges innerhalb der TdL dies mit dem Ziel der Einheitlichkeit des Tarifrechts rechtfertigen, kann die Mitgliederversammlung einen von Ziffer 1 abweichenden Beschluss fassen."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage ASt 2 (Bl. 52 ff. d. A.).
In den Tarifverhandlungen im Jahr 2022 für den Sozial- und Erziehungsdienst einigten sich die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und unter anderem die verfügungsbeklagte Gewerkschaft auf Entlastungen. In dem Einigungspapier vom 18. Mai 2022 heißt es auszugsweise:
"I. Entlastung
1. Regenerationstag
Beschäftigte, die in Teil B Abschnitt XXIV der A...