Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Meinungsfreiheit im Betrieb. Grenzen der Meinungsfreiheit
Leitsatz (redaktionell)
1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, (teilweise) unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
2. Arbeitnehmer dürfen unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. Dies ist im Regelfall von der Meinungsfreiheit gedeckt.
3. Unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen, ebenso wenig grobe Beleidigungen und Ehrverletzungen.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1-2, Art. 12 Abs. 1; BGB § 241 Abs. 2, §§ 242, 1004
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 23.09.2020; Aktenzeichen 2 Ca 2475/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.09.2020 - 2 Ca 2475/20 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Abmahnung vom 01.04.2020 mit der angeblichen Drohung ("Du hast eröffnet, erwarte den Konter") aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.
Der Kläger ist seit dem 16.01.2006 bei der Beklagten als Leiter des Bereichs Einkauf, Fuhrpark und Facility Management beschäftigt.
Die Beklagte überreichte dem Kläger am 03.03.2020 eine schriftliche Abmahnung vom 02.03.2020 wegen einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer über eine neue EU-Plakette für einen Dienstwagen (Bl. 7 f. d. A.). Das Arbeitsgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme u. a. rechtskräftig verurteilt, diese Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen, weil die despektierliche Äußerung "um so einen Piss werde sich gekümmert" nicht in Bezug auf die EU-Plakette gefallen sei.
Anlässlich der Übergabe der Abmahnung vom 02.03.2020 hat der Kläger am 03.03.2020 gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten geäußert: "Du hast eröffnet, erwarte den Konter." Dieses Verhalten hat die Beklagte mit Schreiben vom 01.04.2020 abgemahnt (Bl. 9 f. d. A.). Sie hat den Kläger mit dieser Abmahnung auf seine arbeitsvertragliche Pflicht hingewiesen, respektvoll zu kommunizieren und keine Drohungen zu tätigen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.09.2020 (Bl. 94 ff. d. A.) u. a. die Klage auf Entfernung der Abmahnung vom 01.04.2020 wegen des Vorfalls am 03.03.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe mit seiner Äußerung seine Pflicht zum respektvollen Umgang mit seinem Vorgesetzten missachtet und den Betriebsfrieden gestört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihm am 29.09.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.10.2020 Berufung eingelegt und diese am 10.11.2020 begründet.
Der Kläger meint, die Abmahnung vom 01.04.2020 sei unverhältnismäßig. Er habe in Bedrängnis, konfrontiert mit drei Personen auf Seiten der Beklagten, lediglich zum Ausdruck gebracht, dass er gegen die Abmahnung rechtlich vorgehen werde.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichtes Köln vom 23.09.2020 - 2 Ca 2475/20 - zu verurteilen, die Abmahnung vom 01.04.2020 mit der angeblichen Drohung ("Du hast eröffnet, erwarte den Konter") aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte sieht die Äußerung des Klägers im Kontext der konkreten Auseinandersetzung nicht nur als Ankündigung rechtlicher Gegenmaßnahmen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe sie als feindseligen Akt und Androhung eines Zweikampfes verstanden. Der Kläger habe sich in der Wortwahl vergriffen und sei wie bereits in der Vergangenheit konfrontativ und respektlos aufgetreten. Mit seiner martialischen Wortwahl habe er den Betriebsfrieden gestört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 02.11.2020, 18.01.2021 und 22.02.2021, die Sitzungsniederschrift vom 10.11.2021 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begr...