Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Sohnes auf Hinterbliebenengeld gegen den Mörder seiner Mutter
Leitsatz (amtlich)
Maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenentschädigung nach § 844 Abs. 3 BGB sind im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers.
Normenkette
BGB § 844 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 30.09.2024; Aktenzeichen 2 O 241/23) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Dem Kläger wird für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er mit der beabsichtigten Berufung eine Abänderung des Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 30. September 2024 und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von EUR 10.000,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger begehrt.
Dem Kläger wird Rechtsanwalt A, Stadt1, beigeordnet.
Die Beiordnung erfolgt zu den kostenrechtlichen Bedingungen einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes mit Niederlassung im Bezirk des Prozessgerichts.
Zahlungsraten werden nicht festgesetzt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Gründe
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25.10.2024 Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Landgerichts vom 30.09.2024, zugestellt am 01.10.2024, beantragt und einen Entwurf für eine Berufungsbegründung (Anlage A 3) beigefügt.
Der Kläger wurde mit dem als Anlage KI beigefügten Beschluss des Amtsgerichts Stadt2 vom 01.08.2023 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen von Herrn B (Insolvenzschuldner) bestellt.
Der Kläger verfolgt mit der beabsichtigten Berufung einen bereits erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch des Insolvenzschuldners auf Zahlung einer angemessenen Entscheidung in Geld für das durch die gewaltsame Tötung seiner Mutter durch den Beklagten bedingte Leid.
Der Beklagte war der Stiefvater des Insolvenzschuldners und erschoss dessen Mutter im Dezember 2021. Der Beklagte wurde deswegen durch Urteil des Landgerichts Gießen vom 29.03.2023 (Aktenzeichen: ...) wegen Mordes in Tateinheit mit der vorsätzlichen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
Der Kläger hat behauptet, der Insolvenzschuldner habe durch die gewaltsame Tötung seiner Mutter eine massive Anpassungsstörung erlitten, die länger als sechs Monate angedauert habe. Da sich der Insolvenzschuldner mit dem Beklagten zuvor gut verstanden habe, seien die gesundheitlichen Konsequenzen für ihn wegen des mit der Tat verübten Vertrauensbruchs noch gravierender gewesen als bei einer Tat eines ihm fremden Dritten.
Es habe zwischen dem Insolvenzschuldner und dessen Mutter ein Näheverhältnis bestanden, auch nachdem er aus deren Wohnung ausgezogen sei und ungeachtet vereinzelter Streitigkeiten. Er habe nie den Kontakt zu ihr verloren, welcher gut und grundsätzlich harmonisch gewesen sei. Er habe mit ihr des Öfteren gesprochen und sich getroffen, auch habe er mehrfach bei Streitigkeiten zwischen seiner Mutter und dem Beklagten vermittelt. Der Auszug des Insolvenzschuldners aus der Wohnung seiner Mutter sei erst im Frühjahr 2021, also im Jahr ihres Todes erfolgt.
Die emotionalen Beeinträchtigungen des Insolvenzschuldners seien im Wesentlichen in drei Teilbereiche aufzugliedern, nämlich ohnmächtige Wut, tiefe Trauer und hilflose/irreversible Verzweiflung.
Ferner hat der Kläger sich auf einen eigenen Aktenvermerk über ein Gespräch mit dem Insolvenzschuldner vom 24.01.2024 (Anlage K 3) und ein Schreiben der Klinik1 vom 23.02.2024 mit den beigefügten ärztlichen Stellungnahmen vom 23.10.2023 und 08.03.2023 (Anlage K 4, BI. 110 ff. d. erstinstanzl. A.), die bezüglich der Fortdauer der Unterbringung des Insolvenzschuldners in der Entziehungsanstalt gemäß § 67e StGB erstellt worden waren, bezogen.
Der Beklagte hat behauptet, der Insolvenzschuldner habe gar keine Beziehung zu seiner Mutter gehabt.
Das Landgericht hat nach zweifachem Hinweis auf den aus seiner Sicht unzureichenden Vortrag zu den gesundheitlichen Folgen der Tat des Beklagten für den Insolvenzschuldner die Klage ohne Beweiserhebung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe es trotz deutlicher Hinweise der Kammer nicht vermocht, Beeinträchtigungen des Insolvenzschuldners darzulegen, welche durch dessen Einvernahme oder die weitere Beweisaufnahme, namentlich durch die Vernehmung weiterer Zeugen sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätten bewiesen werden können.
Die Klage ergehe sich weitgehend in allgemeinen Ausführungen, welche Empfindungen Kinder in der Situation des Insolvenzschuldners allgemein hätten und worunter sie litten. Es sei zwar behauptet worden, der Insolvenzschuldner habe unter ohnmächtiger Wut, tiefer Trauer und hilfloser/irreversibler Verzweiflung gelitten. Es seien aber keine Auswirkungen beschrieben oder Beschwerden behauptet worden, die den Insolvenzschuldner hierd...