Entscheidungsstichwort (Thema)
Schöffe, Amtsenthebung, gröbliche Verletzung der Amtspflichten, Beratungsgeheimnis
Leitsatz (amtlich)
Eine zumal presseöffentliche Verletzung des Beratungsgeheimnisses kann geeignet sein, die Amtsenthebung eines Schöffen zu rechtfertigen.
Normenkette
GVG § 51 Abs. 1; DRiG § 43
Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 01.09.2020; Aktenzeichen 22 AR 9/21 (Sch)) |
Tenor
Der Hilfsschöffe A wird seines Amtes enthoben.
Gründe
I.
1.
Der Vorsitzende der II. großen Strafkammer des Landgerichts Essen, die nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts auch für Schöffenangelegenheiten zuständig ist, hat mit Beschluss vom 04. Februar 2021 (erneut) beantragt, den Erwachsenen-Hilfsschöffen A gemäß § 51 Abs. 1 GVG wegen gröblicher Verletzung seiner Amtspflichten seines Schöffenamtes zu entheben. Zur Begründung wird ausgeführt, dieser habe insbesondere das Beratungsgeheimnis verletzt.
2.
Einen vorangegangenen auf eine Amtsenthebung des Hilfsschöffen gerichteten Antrag des Vorsitzenden der II. großen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 01. September 2020, der darauf gestützt war, angesichts im Internet zugänglicher Äußerungen und Rechtsauffassungen des Schöffen sei davon auszugehen, dass dieser nicht die Gewähr dafür biete, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden, hatte der Senat am 18. November 2020 mit der Begründung zurückgewiesen, allein wiederholte und auch deutliche bzw. harsche justizkritische Äußerungen, welche noch von der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG gedeckt seien und sich nicht auf bloße Herabsetzungen oder Beleidigungen reduzieren, rechtfertigten eine Amtsenthebung eines Schöffen nicht (Senat, Beschluss vom 18. November 2020 - III-1 Ws 380/20 -, juris).
In jenem Verfahren hatte der Schöffe unter anderem geltend gemacht, die Antragstellung betreffend seine Amtsenthebung sei bereits rechtsmissbräuchlich.
Hierzu war vorgebracht worden, es sei auffällig, dass die seitens des Landgerichts durchgeführten Recherchen zu seiner Person ausweislich der Daten der in der Akte befindlichen Ausdrucke aus dem Internet am 31. August 2020 erfolgt seien und mithin unmittelbar an dem auf den 28. August 2020 folgenden Arbeitstag, an welchen unter Beteiligung des Hilfsschöffen eine Verhandlung vor der II. großen Strafkammer des Landgerichts Essen zu Ende gegangen sei, in welcher sich die beteiligten Schöffen insbesondere von dem die Verhandlung leitenden stellvertretenden Kammervorsitzenden RLG Dr. S. mehrfach derart unhöflich behandelt gefühlt hätten, dass beide Schöffen dies zum Anlass für eine unter dem 04. September 2020 gegenüber der Präsidentin des Landgerichts Essen erfolgte entsprechenden gemeinsame schriftliche Mitteilung genommen hätten. Es handele sich letztlich um eine "Retourkutsche" des RLG Dr. S.
Der Senat hatte sich im Hinblick auf die antragsgegenständlichen justizkritischen Äußerungen des Schöffen jedoch in dem die Amtsenthebung ablehnenden Beschluss zu folgender Abschlussbemerkung veranlasst gesehen:
"Der Senat erlaubt sich allerdings gleichwohl abschließend mit Blick auf seine zumindest in länger zurückliegender Zeit sehr pointierte und zum Teil auch harsche Wortwahl den Hinweis an den Schöffen, dass sich auch der ehrenamtliche Richter gemäß § 39 DRiG "innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten" hat, "dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird"."
3.
Im Nachgang zur Senatsentscheidung erschien in der Online-Ausgabe der E (E Zeitung) und inhaltsgleich in der F (F Zeitung) am 07. Januar 2021 unter gleichzeitiger Darstellung eines Fotos des vor dem Eingang des Landgerichts Essen stehenden Schöffen ein Artikel betreffend das vorgenannte Amtsenthebungsverfahren unter anderem mit folgendem Inhalt:
"
Landgericht Essen will Schöffen rauswerfen und scheitert.
Essen.
In einem Mordprozess in Essen hat es 2020 hinter den Kulissen geknallt. Das Landgericht beantragt die Amtsenthebung der Schöffen - und verliert.
Am Essener Landgericht ist ein Streit zwischen zwei Schöffen und dem Vorsitzenden Richter der II. Strafkammer hinter den Kulissen des Gerichtssaales auf ungewöhnliche Weise eskaliert. Die beiden Schöffen fühlten sich zu "dekorativem Beiwerk" degradiert und erhoben eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Landgerichtspräsidentin.
Zugleich strengte das Landgericht Essen ein Amtsenthebungsverfahren gegen einen der beiden Schöffen an - und erlitt Schiffbruch. Das Oberlandesgericht Hamm hat den Antrag des Landgerichts Ende vergangenen Jahres in allen Punkten zurückgewiesen.
A (67) aus B, von Hause aus C, ist einer der betroffenen Laienrichter. In der Hauptverhandlung ging es im vergangenen Sommer an fünf Verhandlungstagen (16. Juli bis 28. August 2019) um die Mordanklage gegen einen Obdachlosen, der einer Passantin in D mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen und sie lebensgefährlich verletzt hatte. Neben dem Vorsitzenden Richter vervollständigen zwei beisitzende (Berufs-)Richter die II. Große Strafkammer.
"Wir fühlten uns wi...