Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtsanwalt selbst hat bei Übernahme eines neuen Mandats die Handakten und bei der ersten Vorlage der Gerichtsakten an ihn diese auf laufende (Rechtsmittel-)Fristen eigenverantwortlich zu prüfen. Er muss den ermittelten Zustellungszeitpunkt festhalten und die rechtzeitige Wiedervorlage sicherstellen; insbesondere muss er prüfen, ob diese Frist gegebenenfalls vom Büropersonal im Kalender vorgemerkt wurde.
2. Ferner hat ein Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. In diesem Fall muss der Rechtsanwalt stets auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen (Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 01.03.2023 - XII ZB 483/21 -, juris Rn. 11; vom 29.06.2022 - XII ZB 9/22 - FamRZ 2022, 1633 Rn. 10; vom 19.02.2020 - XII ZB 458/19 - FamRZ 2020, 936 Rn. 13 und vom 09.07.2014 - XII ZB 709/13 - FamRZ 2014, 1624 Rn. 12).
3. Gerade bei einem krankheitsbedingten Personalausfall und damit einhergehend einem erhöhten Arbeitsanfall wird von einem Rechtsanwalt eine erhöhte Sorgfalt gefordert, denn in einer Stresssituation kann auch einer ansonsten zuverlässigen Fachkraft ein Fehler unterlaufen. Ein Rechtsanwalt muss in Krankheitsfällen die fristenüberwachende Tätigkeit gegebenenfalls persönlich übernehmen.
4. Eine gerichtliche Hinweispflicht besteht bei Wiedereinsetzungsgesuchen nur bezogen auf erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, denn nur solche Angaben dürfen auch noch nach Ablauf der Antragsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO erläutert oder vervollständigt werden.
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Aktenzeichen 1 F 849/21) |
Tenor
1. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.
3. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe vom 14.11.2023 (Az.: 1 F 849/21) wird als unzulässig verworfen.
4. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
5. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.401,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde des Antragsgegners richtet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von 5.401,00 EUR an die Antragstellerin.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner waren miteinander verheiratet. Ihre Ehe wurde im Jahr 2016 durch Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach (Az. 2 F 160/16) rechtskräftig geschieden, nachdem sich die Beteiligten im Jahr 2015 getrennt hatten.
Im hier anhängigen Verfahren hat die Antragstellerin den Antragsgegner auf Zahlung von 5.401,00 EUR zuzüglich Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen und vorgetragen, dass der Antragsgegner, der unstreitig am 24.08.2015 diesen Betrag in bar erhalten hatte, das Geld ohne rechtlichen Grund erlangt habe.
Mit der angegriffenen Entscheidung hat das Amtsgericht den Antragsgegner unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags der Antragstellerin zur Zahlung von 5.401,00 EUR verpflichtet. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin diesen Betrag aus abgetretenem Recht gemäß § 812 BGB schuldet.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Begründung der Entscheidung wird auf die Gründe des Endbeschlusses vom 14.11.2023 Bezug genommen.
Die Entscheidung ist dem vormaligen Verfahrensbevollmächtigten am 14.11.2023 elektronisch zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 28.11.2023, adressiert an das Oberlandesgericht Karlsruhe, hat die Verfahrensbevollmächtigte die Vertretung des Antragsgegners angezeigt und gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt. Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 04.12.2023 ist den Beteiligten mitgeteilt worden, dass die Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt worden und die Beschwerdeschrift an das Amtsgericht übermittelt worden ist.
Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners hat daraufhin mit Schriftsatz vom 04.12.2023 an das Amtsgericht erneut Beschwerde eingelegt und eine Begründung mit gesondertem Schriftsatz angekündigt.
Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 17.01.2024 ist der Antragsgegner darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde unzulässig sein dürfte, da sie nicht rechtzeitig begründet worden ist. Es ist ferner darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen.
Mit Schriftsatz vom 18.01.2024 hat der Antragsgegner beantragt, ihm betreffend die Beschwerdebegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, am 27.11.2023 sei die Verfahrensbevollmächtigte von ihm ...