Tenor
Die Betroffene wird auf Kosten der Staatskasse, die auch ihre notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.
Gründe
I.
Der Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt B vom 23.11.2011, Az. xxxxxxxxxxxx, vorgeworfen worden, am 05.09.2011 um 17:10 Uhr in B-Stadt, BAB x, km 11,927, RF I-Stadt, die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 48 km/h überschritten zu haben, indem sie statt der zulässigen Geschwindigkeit von 80 km/h eine festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug) von 128 km/h fuhr. Gegen sie wurden ein Bußgeld von 170,00 Euro sowie ein Fahrverbot von 1 Monat festgesetzt.
§§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24, 25 Abs. 1, Abs. 2a StVG, Ziff. 11.3.7. BKat, § 4 Abs. 1 BKatV
II.
Die Betroffene hat durch ihren Verteidiger die Fahrereigenschaft eingeräumt, jedoch keine weiteren Angaben zur Sache gemacht.
III.
Die Betroffene war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Ihr konnte die Begehung des ihr vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoßes nicht mit einer für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden. Beim Gericht sind nicht zu überwindende Zweifel an der Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät Poliscan Speed entstanden.
1.
Grundlage für den Bußgeldbescheid war eine Messung mit dem Gerät Vitronic Poliscan Speed, Gerätenummer PSS 623 735, Softwareversion 1.5.5, Eichung am 02.03.2011, gültig bis Ende 2012, verwendete Objektive 50mm und 75 mm, Betriebszustand automatisch, Seitenabstand zum Fahrstreifen 208 cm, Aufstellungshöhe 102 cm. Das Gericht konnte jedoch keine sicheren Feststellungen dahin treffen, dass dieses Gerät die von der Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit tatsächlich zutreffend gemessen hat.
2.
Das Gericht stützt sich hierzu auf das schlüssige und widerspruchsfreie Gutachten des Sachverständigen Dr. N. Dieser hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass eine Überprüfung von konkreten Messwerten im Rahmen einer nachträglichen Richtigkeitskontrolle beim Gerät Poliscan Speed nicht möglich sei. Dies liege daran, dass die Messwerte zwar grundsätzlich vorhanden seien, aber seitens der Herstellerfirma aus patentrechtlichen Gründen nicht zur Verfügung gestellt würden. Es gebe ein erhebliches Informationsdefizit zulasten der Sachverständigen, weshalb das Gerät als eine "Black Box" beschrieben werden müsse. Aus diesem Grund sei lediglich eine näherungsweise Feststellung der Geschwindigkeit unter Analyse des Messfotos mit Hilfe des sogenannten "Smear-Effekts" möglich. Hierbei handele es sich nur um eine "Pseudoauswertung", die mit einer Analyse der Messdaten nichts zu tun habe. Es komme dabei zu Abweichungen von bis zu 15% zu dem auf dem Messfoto angezeigten Wert.
Der Sachverständige hat aufgrund der im vorliegenden Fall durchgeführten Auswertung des Fotos mit dem "Smear-Effekt" einen Wert von 138 km/h ermittelt, der damit sogar noch 10 km/h über dem mittels der Messung (abzüglich Toleranz) ermittelten Wert liegt. Es liegt auf der Hand, dass eine derart gravierende Abweichung des "Smear"-Messwertes von dem "Poliscan"-Messwert zur Unverwertbarkeit der "Smear"-Auswertung insgesamt führt (so auch Schmedding/Neidel/Reuß, SVR 2012, 121, 126; kritisch ebenfalls Winninghoff/Hahn/Wietschorke, DAR 2011, 106, 109).
3.
Das Gericht war auch nicht in der Lage, die Richtigkeit der Messung unter Berücksichtigung von Poliscan Speed als "standardisiertes Messverfahren" zugrundezulegen. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei Poliscan Speed nicht um ein "standardisiertes Messverfahren".
a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter einem standardisierten Messverfahren ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 30.10.1997, 4 StR 24/97, BGHSt 43, 277). Der BGH hat in einer früheren Entscheidung ebenfalls zu Geschwindigkeitsmessungen ausgeführt, dass die amtliche Zulassung von Geräten und Methoden ebenso wie die Reduzierung des gemessenen Wertes um einen - die systemimmanenten Messfehler erfassenden - Toleranzwert gerade den Zweck verfolgen soll, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalles freizustellen. Es entspreche allgemein anerkannter Praxis, dass auch im Bereich technischer Messungen Fehlerquellen nur zu erörtern seien, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gebe (vgl. BGH, Beschluss vom 19.08.1993, BGHSt 39, 291). Technische Messsysteme, deren Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zur innerstaatlichen Eichung zugelassen sei, würden in diesem Zusammenhang grundsätzlich als standardisierte Messverfahren anerkannt (Cierniak, ZFSch 2012, 664). Zu diesem Themenkomplex muss allerdings angemerkt werden, dass es keine "Dogmatik" des BGH zum Begriff des standardisierten Messverfahrens gibt. Der Begriff "standardisiertes Verfahren" ist überh...