Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 156,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.10.2009 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus § 115 VVG, 7 StVG, § 249 BGB. Die Höhe der erstattungsfähigen Gebühr von 156,50 Euro ergibt sich aus §§ 2, 13, 14 RVG i.V.m. Nr. 2300 und Nr. 7002 VV RVG.

Die Beklagten haften dem Grunde nach unstreitig aus einem Verkehrsunfall vom 16.09.2009. Zu den zu ersetzenden Schäden gehören gem. § 249 BGB auch die Rechtsverfolgungskosten, die dem Kläger entstanden sind.

Der Kostenerstattungsanspruch für die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten ist Teil des materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruches, der auch in den Schutzbereich der verletzten Norm (§ 7 I StVG) fällt (vgl. Palandt/Heinrichs, § 249, Rn. 38). Er stellt sich als unselbstständiger Begleitanspruch des Hauptanspruchs dar. Der Geschädigte erbringt zwar formal freiwillige Vermögensopfer, jedoch ist dem faktischen Zwang Rechnung zu tragen. Daraus ergibt sich, dass die Rechtsverfolgungskosten in soweit zu ersetzten sind, wie sie zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruches notwendig waren (vgl. BGH NJW, 1986, 2243 (2244f.)).

Die Beklagen sind dem Kläger für dessen Rechtsanwaltskosten erstattungspflichtig, da die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts in der konkreten Situation gem. § 249 I BGB erforderlich und auch zweckmäßig war.

Zwar wird in der Rechtsprechung gelegentlich vertreten, dass dies in einfach gelagerten Fällen nur zutrifft, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregulierung verzögert wird, jedoch kann im vorliegendem Fall ohnehin nicht von einem einfach gelagertem Fall ausgegangen werden.

Dabei ist die Frage, wann von einem rechtlich einfach gelagerten Verkehrsunfall ausgegangen werden kann, schon schwierig zu beantworten. Der Umfang und die Geltendmachung sämtlicher ersatzfähiger Schäden sowie die unterschiedlichsten Haftungsverteilungen bei Verkehrsunfällen haben eine Dimension und Komplexität angenommen, die selbst bei eindeutigen Haftungsfällen keinen einfach gelagerten Verkehrsunfall darstellen können. Dazu kommt eine vielseitige Rechtsprechung, die zu Unsicherheiten bezüglich möglicher Ansprüche führt. Anzumerken sei, dass gerade die Vielfalt des Straßenverkehrsrechts auch zur Schaffung eines entsprechenden Fachanwalts geführt hat.

Und selbst in vermeintlich einfach gelagerten Fällen ist es nicht mit der Anzeige des Schadens bei der Versicherung des Schädigers getan. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Schädiger und seine Versicherung die Interessen des Geschädigten in ausreichendem Maße berücksichtigen, was in der Natur der Sache liegt.

Zum anderen gebietet es die Maxime der Waffengleichheit, dass der Geschädigte gegenüber der rechtskundigen Haftpflichtversicherung einen Rechtsanwalt mit der außergerichtlichen Geltendmachung des Schadensersatzes beauftragen darf (vgl. BGH NJW 2009, 2898 f.).

Weiterhin bestehen Bedenken aus einer ex-post-Betrachtung die Erforderlichkeit aufgrund eines einfach gelagerten Falles entfallen zu lassen.

Von einem "einfachen" Fall im Straßenverkehr ist nur in absoluten Ausnahmefällen auszugehen. Es sind dann Missbrauchskonstellationen denkbar, bei denen die Beauftragung eines Rechtsanwalts geradezu als unvernünftige oder bloß schikanöse Ausnutzung von Ersatzansprüchen erfolgt (vgl. Wagner in NJW 2006, 3244 (3248); VersR 1995, 257 (258)).

Im konkreten Fall ereignete sich der Unfall, während der 18-Jährige Auszubildende des Klägers den Pkw als Firmenfahrzeug nutzte. Diese verzichtete auf eine Beweissicherung durch die Polizei und notierte sich lediglich die Anschrift und Telefonnummer des Beklagten zu 1), was vorliegend nicht dem Kläger angelastet werden kann. Bei dieser Sachlage ist es nachvollziehbar, dass der Kläger die weitere Rechtsverfolgung in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt übernahm, zumal auch kein Bagatellschaden, sondern ein wirtschaftlicher Totalschaden vorlag. Bereits deswegen kann von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Klägers vorliegend nicht ausgegangen werden.

Die Ersatzpflicht entfällt auch nicht, weil der Kläger selbst als Rechtsanwalt tätig wurde.

Die Ersatzpflicht besteht auch, wenn sich ein Rechtsanwalt selbst vertritt (vgl. Palandt/Heinrichs, § 249 Rn. 39).

Das Anfertigen des Aufforderungsschreibens zur Zahlung der Schäden hat der Kläger im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit ausgeübt. Es ist nicht ersichtlich, weswegen ihm eine entsprechende und übliche Vergütung nicht zugesprochen werden sollte. Seine durch den Beruf erworbenen Fähigkeiten können ihm nicht derart zum Nachteil ausgelegt werden, dass ihm eine anwaltliche Tätigkeit im eigenen Interesse unvergütet bleibt.

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