Orientierungssatz
Wird eine bauliche Veränderung auf Antrag einzelner Wohnungseigentümer beschlossen und zugleich allen Wohnungseigentümern die dafür erforderlichen Kosten auferlegt, ohne dass sich die Kosten in angemessener Zeit amortisieren und ohne dass die in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG erforderliche doppelt qualifizierte Mehrheit zustande gekommen ist, so ist der Beschluss nicht zustande gekommen bzw. anfechtbar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Maßnahme bereits mit einem früheren Beschluss beschlossen worden ist und der Folgebeschluss vor allem dazu dienen soll, entgegen des früheren Beschlusses die Kosten nicht nur den antragstellenden Eigentümern aufzuerlegen, sondern allen Eigentümern.
Normenkette
WEG § 21 Abs. 1-2, 5
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Wege der Beschlussanfechtungsklage die Ungültigerklärung dreier Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung sowie im Wege der Beschlussersetzungsklage die Feststellung, dass ein bestimmter Beschluss getroffen worden ist.
Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft A in B. Hierbei handelt es sich um eine so genannte Zwei-Haus-Anlage. In beiden Gebäuden befindet sich je eine Fahrstuhlanlage. Der Gemeinschaft liegt die Teilungserklärung vom 30.08.1979 (UR Nr. 894 für 1979 des Notars Dr. Hackenberg in Eschborn) zugrunde, die in § 12 Nr. 1 der Gemeinschaftsordnung (Anl. I11 zur Teilungserklärung) eine Regelung zu Kostenverteilung enthält sowie in § 15 Nr. 5 daselbst die Abstimmung nach Miteigentumsanteilen (im Folgenden: MEA) vorsieht, sofern nicht Wahl oder Abberufung des Verwalters betroffen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten der Gemeinschaftsordnung wird auf Bl. 52 ff. d.A. Bezug genommen). Einige der Eigentümer sind auf barrierefreie Fahrstühle angewiesen. In der Eigentümerversammlung vom 21.10.2019 berieten die Eigentümer über Arbeiten an den bis dahin nicht barrierefreien Fahrstuhlanlagen. Die dort unter den TOP 3.1 bis gefassten Beschlüsse sind Gegenstand des Verfahrens 800 C 4204/19. Die dort gefassten Beschlüsse zu TOP 3.2 und 3.3 sehen die Neuerrichtung der beiden Fahrstuhlanlagen in nahezu barrierefreier Ausführungsvariante vor mit der Maßgabe, dass die durch diese Variante entstehenden Mehrkosten den-jeweils antragstellenden Miteigentümern auferlegt werden (wegen der Einzelheiten wird auf Bl. I/4 ff. d. Beigezogenen Akte 800 C 4204/19 Bezug genommen). In der Versammlung vom 08.11.2021 beschäftigten sich die Eigentümer erneut mit der Neuerrichtung der beiden Fahrstuhlanlagen. Im Rahmen des TOP 11.1 beschlossen sie erneut die Herstellung nahezu barrierefreier Aufzüge, jedoch mit der Maßgabe, dass die Gesamtkosten aus der Rücklage zu finanzieren seien und bestehende Beschlüsse als aufgehoben gelten, soweit sie diesen Beschluss widersprechen. Ausweislich des Protokolls (wegen der weiteren Einzelheiten des Protokolls auch zu den nachfolgenden TOP wird auf Bl. 4 ff. d. A. Bezug genommen) stimmten 9 Köpfe mit 443,04/1000 MEA dafür, 3 Köpfe mit 147,50/1000 MEA dagegen und 3 weitere Köpfe mit 146,36/1000 MEA enthielten sich. Zur Beschlussverkündung vermerkt das Protokoll, der Beschluss sei nicht zu Stande gekommen. Unter den TOP 11.3, 11.4 beschloss die Eigentümerversammlung mehrheitlich bzw. mit allen anwesenden Stimmen weitere Ergänzungsmaßnahmen. Unter den TOP 11.5 und 11.6 standen andere Ergänzungsmaßnahmen zur Debatte, die entweder mehrheitlich oder mit allen anwesenden Stimmen abgelehnt wurden. Schließlich beschlossen sie die Finanzierung und Auftragsvergabe der bereits beschlossenen Maßnahmen unter TOP 11.8; wegen des Beschlusstextes wird auf Bl. 15 d. A. Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage.
Der Kläger ist der Ansicht, die im Protokoll vermerkten Mehrheitsverhältnisse stellten eine Annahme des Beschlusses zum TOP 11.1 dar. Darüber hinaus amortisierten sich die Mehrkosten von jeweils ca. 15.000 EUR für die Herstellung der beiden Fahrstühle in nahezu barrierefreier Ausführung innerhalb eines angemessenen Zeitraums. Bei den anderen angegriffenen Beschlüssen ergebe sich die Ungültigkeit daraus, soweit sie dem Beschluss zu TOP 11.1 widersprächen. Außerdem sei unklar, wie der Aufzug im Haus A ausgeführt werden soll; insbesondere der Klammerzusatz über eine „kleine” und eine „große” Aufzugskabine werde erst durch Hintergrundwissen verständlich. Die Beschlüsse ab TOP 11.3 litten auch an dem Mangel, dass sie keine Aussage zum „Ob” der Maßnahme träfen, sondern nur dazu, „wie” sie auszuführen sei. Die konkrete Beschlussfassung entspreche damit nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- den Negativbeschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.11.2021 unter TOP 11.1 betreffend die „Ausführung mit einer Vergrößerung beider Aufzugskabinen durch die WEG so...