Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung und Herausgabe

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 4/5 und der Beklagte 1/5.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden.

4. Der Streitwert beträgt 5.278,58 EUR.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Räumung ihrer Wohnung.

Am 01.04.2001 schlossen die Parteien einen unbefristeten Mietvertrag über eine Zwei-Zimmer-Dachgeschosswohnung in Neuenstein. Als Miete wurden 400 DM (204,52 EUR) zzgl. 68 DM (34,77 EUR) Betriebskostenvorauszahlung (Anlage K 1 = Bl. 4) vereinbart.

Der erwerbslose Beklagte geriet mit der Zahlung der Miete in Rückstand, weshalb ihn die Klägerin im Mai 2004 zunächst mahnte (vgl. Anlage K 2 = Bl. 14). Die Mieten April 2004 bis Juni 2004 wurden vom Beklagten zunächst nicht bezahlt. Deshalb kündigte die Klägerin den Mietvertrag mit Schreiben vom 02.06.2004 fristlos (Anlage K 3 – Bl. 15). Am 17.06.2004 erfolgte die Zahlung einer weiteren Monatsmiete, nachdem dem Beklagten vom Landkreis Hohenlohe ein Mietzuschuss und vom Arbeitsamt Schwäbisch Hall (nach einer Sperrzeit) Arbeitslosenhilfe bewilligt worden war.

In der Klage, dem Beklagten am 30.06.2004 zugestellt, sprach der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nochmals die fristlose Kündigung des Mietvertrages aus. Weiter heißt es: „Des weiteren wird hilfsweise und vorsorglich auch eine fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses ausgesprochen und auf §§ 543, 569 BGB gestützt.”

Die rückständige Miete wurde bis zum 03.08.2004 vollständig beglichen (Bl. 32/34). Aus diesem Grund wurde der ursprünglich anhängige Zahlungsantrag über 478,58 EUR von beiden Parteien für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im Dachgeschoss des Anwesens … in 74632 Neuenstein, bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Dusche mit WC und Abstellraum zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vertrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

A. Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die außerordentlichen Kündigungen vom 02.06.2004 und 30.06.2004 haben das Mietverhältnis nicht beendet. Zwar war die Klägerin zu den Zeitpunkten der Kündigungen zur fristlosen Kündigung gem. § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 b BGB berechtigt. Die beiden Kündigungen wurde allerdings gem. § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB unwirksam, nachdem der Beklagte innerhalb der Schonfrist von zwei Monaten sämtliche Mietrückstände ausgeglichen hat.

II. Auch die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 30.06.2004 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Zwar gibt es für die ordentliche Kündigung keine dem § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB entsprechende Vorschrift, die dem Mieter bei Zahlungsverzug eine Schonfrist einräumt. § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist jedoch auf die ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB entsprechend anzuwenden, wenn sie ausschließlich auf Zahlungsverzug gestützt wird. Der Gesetzgeber hat die Frage nicht abschließend geregelt (vgl. Franke ZMR 1992, 81; Scholl, WuM 1993, 99). Die planwidrige Gesetzeslücke kann durch eine analoge Anwendung von § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geschlossen werden, da die Interessenlage bei der ordentlichen Kündigung vergleichbar ist.

In der Rechtsprechung ist diese Frage allerdings umstritten. Das OLG Stuttgart (Rechtsentscheid vom 28.08.1991, Az. 8 REMiet 2/91, NJW-RR 1991, 1487) und ihm folgend das OLG Karlsruhe (Rechtsentscheid vom 19.08.1992, Az. 3 REMiet 1/92) haben eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen verneint. Sie stellen darauf ab, dass ordentliche und außerordentliche Kündigungen unterschiedliche Anforderungen an das Verschulden des Mieters stellen. Während für eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB einfaches Vertretenmüssen des Mieters genügt, setzt die ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB mehr voraus, nämlich einen schuldhaften Zahlungsverzuges des Mieters von nicht unerheblicher Bedeutung für das Vertragsverhältnis. Nach Ansicht des OLG Stuttgart a.a.O. könne die nachträgliche Zahlung bei der Bewertung des Begriffes der erheblichen Vertragsverletzung Bedeutung haben, ebenso bei der Abwägung der Vermieter- und Mieterinteressen im Rahmen der Sozialklausel. Demgegenüber seien die Anforderungen an die fristlose Kündigung geringer, da diese keine schuldhafte Vertragsverletzung voraussetze, sondern lediglich ein Vertretenmüssen. Somit könne auch ein schuldloser Zahlungsrückstand zu einer außerordentlichen Kündigung führen. Daher sei es gerechtfertigt, bei der fristlosen Kündigung eine Heilungsmöglichkeit zu schaffen. Es sei aber nicht ersichtlich, warum einem Mieter, der seine vertragliche Zahlungspflicht in eklatantem Umfang schuldhaft verletzt und dem deshalb auch ordentlich gekündigt werden kann, ebenfalls eine solche Heilu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge