1 Leitsatz

Für den Streitwert der Anfechtung von Beschlüssen nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG sind der Nennbetrag der Jahresabrechnung für das Gesamtinteresse und der auf den Kläger entfallende Anteil als Einzelinteresse maßgeblich.

2 Normenkette

§ 49 GKG; § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K geht gegen einen Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG vor. Die dem Beschluss zugrunde liegende Jahresabrechnung weist für K eine Abrechnungssumme von 1.827,43 EUR auf, die Gesamtabrechnungssumme beträgt 93.277,48 EUR. Die auf den Kläger entfallene Abrechnungsspitze beträgt allerdings nur 130,42 EUR, die Summe aller saldierten Abrechnungsspitzen 441,50 EUR. Fraglich ist, anhand welchen Betrags der Gebührenstreitwert zu berechnen ist.

4 Die Entscheidung

Das LG meint, es sei nicht von den Abrechnungsspitzen auszugehen! Eine derartige Streitwertberechnung werde der Streitigkeit nicht gerecht und führe zu einem unvertretbaren Aufwand bei der Streitwertfestsetzung. Bereits für die Interessenermittlung eines Klägers greife es zu kurz, auf die Abrechnungsspitze abzustellen, wenn diese beispielsweise ein Guthaben verspreche. Darüber hinaus berücksichtige ein Abstellen auf die Abrechnungsspitzen nicht, dass es in vielen Fällen den Wohnungseigentümern inhaltlich um die Richtigkeit der Jahresabrechnung und vor allem um die in ihr angewandten Umlageschlüssel gehe.

Die Abrechnungsspitze bilde daher das Interesse des Klägers nicht ab. Sie sei nur das Ergebnis einer Rechenoperation, berühre den materiellen Inhalt der Jahresabrechnung aber nicht und sei daher für den Streitwert kein taugliches Kriterium. Bei der Streitwertbemessung sei daher das Interesse an einer ordnungsmäßigen Jahresabrechnung zu berücksichtigen. Der Prüfungsumfang habe sich im Vergleich zum alten Recht ohnehin nicht geändert: Weiterhin seien die ergebnisrelevanten innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist gerügten Fehler inhaltlich in vollem Umfang zu prüfen. Der Gebührenstreitwert ergebe sich daher aus einer Multiplikation von 7,5 x 1.827,43 EUR.

5 Hinweis

Problemüberblick

Der Streitwert in Verfahren nach § 44 Abs. 1 WEG ist nach § 49 Satz 1 GKG auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen und darf nach § 49 Satz 2 GKG den 7,5-fachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht übersteigen. Das in § 49 GKG jeweils angesprochene "Interesse" ist das wirtschaftliche Interesse, dass der Beschluss bestehen bleibt bzw. ganz oder teilweise für ungültig erklärt wird. Das wirtschaftliche Interesse aller Wohnungseigentümer in Bezug auf einen Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG (eigentlich der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die allein aus dem Beschluss berechtigt ist) besteht darin, dass die Nachschüsse, die nur aufgrund des Beschlusses gefordert werden können, erhalten bleiben. Das wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers in Bezug auf einen Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG besteht darin, dass er den Naschschuss nicht oder nicht in dieser Höhe zahlen muss oder dass seine Vorschüsse noch mehr angepasst werden.

Die LG-Sichtweise

Das LG sieht das anders. Es meint, es gehe dem klagenden Wohnungseigentümer und der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer um eine ordnungsmäßige Jahresabrechnung und um sämtliche Kosten. Dies ist mir selbst nicht nachvollziehbar. Denn die Jahresabrechnung ist nicht Gegenstand des Beschlusses nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG. Es gibt allerdings auch andere LG, welche die Rechtslage wie das in Frankfurt a. M. sehen. Die Anwaltschaft wird der Rechtsprechung kaum widersprechen.

6 Entscheidung

LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 8.8.2022, 2-13 S 35/22

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