1 Leitsatz
Da der Gesetzgeber in § 18 Abs. 4 WEG nur das Einsichtsrecht als Kern der Informationsrechte geregelt hat, ist § 18 Abs. 4 WEG mit Blick auf das Informationsrecht des Wohnungseigentümers nicht als abschließend anzusehen. Ein Auskunftsanspruch ist aber nur gegeben, wenn der Anspruchsteller die gewünschte Information nicht bereits im Wege des Einsichtsrechts erlangen kann.
2 Normenkette
§ 18 Abs. 4 WEG
3 Das Problem
In der Wohnungseigentumsanlage werden die Stränge der Wasser- und Abwasserinstallation sowie der Lüftung i. S. v. § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG "erhalten". Wohnungseigentümer K, dessen Wohnung von den Maßnahmen nur teilweise betroffen ist, meint, sein Anteil an den Vorschüssen ohne Wirtschaftsplan (= Sonderumlage) sei zu hoch berechnet worden. Er will daher 2.322,78 EUR erstattet bekommen. Dieser Antrag findet in der Versammlung keine Mehrheit. Gegen diesen Beschluss geht K vor. In der Klage behauptet er, die Erhaltungsmaßnahmen seien über die ursprüngliche Planung hinaus gegangen. Außerdem entfielen Kosten rechtswidrig auf Maßnahmen in Bezug auf das Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer. Ferner verlangt K von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Auskunft, wie sie mit den Mitteln bislang umgegangen ist.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg! Ihr sei nur stattzugeben, wenn sich das Ermessen der Wohnungseigentümer auf eine Rückzahlung reduziert hätte. Abzustellen sei insoweit auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung. Die vom Kläger für seinen Antrag in der Versammlung vorgetragene Begründung habe in dem Wunsch des K gelegen, genauso gestellt zu werden, wie die seiner Auffassung nach zu Unrecht begünstigten Sondereigentümer, deren Elektroleitungen und Mischbatterien ersetzt worden seien. Für einen derartigen Gleichbehandlungsanspruch finde sich keine Anspruchsgrundlage. Eine "Gleichbehandlung im Unrecht" – so denn hier zu Unrecht Arbeiten im Sondereigentum erbracht worden seien – finde nicht statt. K habe auch keinen Auskunftsanspruch. Da der Gesetzgeber in § 18 Abs. 4 WEG nur das Einsichtsrecht als Kern der Informationsrechte geregelt habe, sei § 18 Abs. 4 WEG zwar mit Blick auf das Informationsrecht des Wohnungseigentümers nicht als abschließend anzusehen (Hinweis auf Lehmann-Richter/Wobst WEG-Reform 2020, Rn. 374). Ein Auskunftsanspruch sei aber nur gegeben, wenn der Anspruchsteller die gewünschte Information nicht bereits im Wege des Einsichtsrechts erlangen könne. Im Fall habe K nicht dargetan, dass er sich die konkreten gewünschten Informationen nicht durch die Einsicht in die Verwaltungsunterlagen selbst beschaffen könne.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht ein Wohnungseigentümer im Wege der Anfechtungsklage gegen einen Negativbeschluss vor. Diese Klage ist nur dann begründet, wenn sich das Ermessen der Wohnungseigentümer, dem Antrag, der keine Mehrheit gefunden hatte, zuzustimmen, auf Null reduziert hätte. Hierbei handelt es sich um einen Ausnahmefall, den das AG vertretbar nicht erkennen konnte. Im Übrigen geht es um die Frage, ob einem Wohnungseigentümer das Recht zusteht, von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Auskunft zu verlangen.
Auskünfte im Wohnungseigentumsrecht
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist entsprechend § 18 Abs. 4 bzw. analog § 51a Abs. 1 GmbHG verpflichtet, einem Wohnungseigentümer umfassend zur Jahresabrechnung, zum Wirtschaftsplan, aber auch im Übrigen in Bezug auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums Auskunft zu erteilen. Dies sieht das AG nicht anders. Nach einer engeren Ansicht, der das AG folgt, setzt dieser Auskunftsanspruch aber voraus, dass der Anspruchsteller die gewünschten Informationen nicht bereits im Weg des Einsichtsrechts erlangen kann. Diese Ansicht ist vertretbar. Sie zeigt auf, dass auch das Auskunftsrecht selbstverständlich dem Willkürverbot unterliegt. Ihr ist aber im Übrigen nicht zu folgen. Jedenfalls setzen ihr § 29 Abs. 2 WEG und Art. 15 DSGVO deutliche Grenzen. Anders als bei dem Einsichtsrecht, soll es sich nach bisherigem Denken "in erster Linie" allerdings nicht um einen individuellen Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers handeln, sondern um einen allen Wohnungseigentümern als unteilbare Leistung zustehenden Anspruch. Daher könne der einzelne Wohnungseigentümer die Auskunft grundsätzlich nur in der Versammlung der Wohnungseigentümer verlangen. Diese Sichtweise überzeugt aber nicht (mehr). Die Pflicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer besteht gegenüber jedem Wohnungseigentümer individuell.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Rechtslage, ob die Verwaltung einem Wohnungseigentümer eine Auskunft erteilen muss, ist derzeit noch als ungeklärt anzusehen. M. E. ist es aber pragmatisch, in der Regel die verlangte Auskunft zu geben. Der Verwaltungsaufwand, einem Wohnungseigentümer zu ermöglichen, Einsicht in die Verwaltungsunterlagen zu nehmen, dürfte in der Regel ebenso groß oder größer sein.
6 Entscheidung
AG Kamenz, Urteil v. 26.7.2022, 1 C 305/21