1 Leitsatz
Eine grundlegende Umgestaltung ist bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zwecks im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG dient, zumindest typischerweise nicht anzunehmen. Eine unbillige Benachteiligung setzt voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte.
2 Normenkette
§ 20 Abs. 4 Hs. 1 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K beantragt mit einer Beschlussersetzungsklage, einen Grundlagenbeschluss über die Errichtung eines Lifts/Personenaufzugs am Hinterhaus zu ersetzen. Fraglich ist unter anderem, ob der Personenaufzug die Wohnungseigentumsanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer unbillig benachteiligen würde.
4 Die Entscheidung
Der BGH verneint beide Fragen! Nicht jede bauliche Veränderung, die im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG a. F. die Eigenart geändert habe, führe zu einer grundlegenden Umgestaltung. Denn dieser Begriff sei enger zu verstehen als der Begriff der Eigenartsänderung. Eine grundlegende Umgestaltung werde jedenfalls bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zwecks im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG diene, zumindest typischerweise nicht anzunehmen sein. Im Fall liege keine grundlegende Umgestaltung vor. Außergewöhnliche Umstände seien nicht festgestellt. Es gebe auch keine unbillige Benachteiligung. Diese setze voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte. Diene eine bauliche Veränderung einem der gesetzlich privilegierten Zwecke, bedürfe es einer "besonders schweren Benachteiligung".
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es vor allem um die Frage, wann eine grundlegende Umgestaltung vorliegt und wann eine unbillige Benachteiligung. Daneben geht es um die Frage der "Angemessenheit" einer baulichen Veränderung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG.
Grundlegende Umgestaltung
Der BGH klärt, der Begriff der "grundlegende Umgestaltung" sei enger zu verstehen als der Begriff der Änderung der Eigenart im bisherigen Recht. Ob eine grundlegende Umgestaltung anzunehmen ist, muss damit im Einzelfall entschieden werden. Eine grundlegende Umgestaltung wird jedenfalls bei einer Maßnahme, die der Verwirklichung eines Zwecks im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG dient, nicht anzunehmen sein. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anspruchsvoraussetzungen des § 20 Abs. 2 WEG vorliegen und ob die bauliche Veränderung angemessen ist.
Unbillige Benachteiligung
Eine unbillige Benachteiligung setzt voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte. Dient eine bauliche Veränderung einem der gesetzlich privilegierten Zwecke, bedarf es einer "besonders schweren Benachteiligung". Ohne Bedeutung ist, dass andere Wohnungseigentümer erst aufgrund eines Beschlusses nach § 21 Abs. 4 Satz 1 WEG bzw. § 21 Abs. 5 Satz 1 WEG von der Maßnahme Gebrauch machen dürfen.
Angemessenheit
Der Begriff der Angemessenheit, der nur für eine Beschlussersetzungsklage eine Rolle spielt, könnte im Kern eine Extremfall-, eine weitere Verhältnismäßigkeits- oder eine echte Nachteilsprüfung erfordern. Der BGH entscheidet sich für die letzte Lesart. Es sei zu fragen, ob durch die bauliche Veränderung Nachteile entstünden, die deren Vorteile überwögen. Relevant seien allerdings nur die Folgen, die sich für alle Wohnungseigentümer negativ auswirkten, die unabhängig von der weiteren Entscheidung über die Art und Weise der Bauausführung einschließlich der konkreten baulichen Details einträten und nicht durch bestimmte Bedingungen und Auflagen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 WEG beseitigt bzw. abgemildert werden könnten. Ob man prüfen muss, dass es zu der verlangten Gestattung kein milderes Mittel gibt, lässt der BGH offen.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen die Wohnungseigentümer vor einem Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG informieren, ob ihrer Ansicht nach eine grundlegende Umgestaltung vorliegt. Mehr müssen sie nicht tun. Sie dürfen/müssen beispielsweise nicht verhindern, dass die Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung dennoch gestatten.
6 Entscheidung
BGH, Urteil v. 9.2.2024, V ZR 244/22