1 Leitsatz
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann bei Altverfahren entscheiden, ob ein Altkläger weiterhin prozessführungsbefugt ist.
2 Normenkette
§§ 9a Abs. 2, 20 Abs. 1 WEG; § 1004 BGB
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer genehmigen Wohnungseigentümer B im Jahr 2017 durch Beschluss, am Schrägdach eine Dachterrasse samt Dachausstieg zu errichten. B errichtet daraufhin eine Dachterrasse (4 m Länge x 2 m Breite), aufgeständert auf 2 Stahlträger. Zur Absturzsicherung montiert B ein Geländer aus Stahl (Höhe ca. 120 cm) und vergrößert außerdem ein Dachflächenfenster. Den Beschluss, der dieses Tun erlaubt, erklärt das AG im Jahr 2018 auf die Klage von Wohnungseigentümer K allerdings rechtskräftig für ungültig.
K fordert B im Jahr 2019 erfolglos auf, zurückzubauen und erhebt daraufhin Klage. Im September 2020 vergemeinschaften die Wohnungseigentümer die Ansprüche auf Rückbau. Im Juni 2021 geht beim Gericht ein Schreiben des Verwalters ein, mit dem er mitteilt, dass die Klage des K dem Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entgegenstehe.
4 Die Entscheidung
Die Klage ist nach Ansicht des AG durch die Erklärung des Verwalters namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unzulässig geworden. Dem stehe nicht entgegen, dass B und die anderen Wohnungseigentümer nach Behauptung des K kollusiv zusammenwirken würden. Es sei auch nicht erkennbar, dass die Erklärung der Verwalterin fingiert sei. Aus dem Umstand, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Rechtsverfolgung kein gerichtliches Verfahren, sondern eine vergleichsweise Einigung anstrebe, könne nichts anderes geschlossen werden.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob und wie lange ein Wohnungseigentümer, der bereits vor dem 1.12.2020 für eine Entstörung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichtlich kämpft ("Altkläger"), zur Führung dieses Prozesses noch befugt ist.
Willensbildung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
Nach Ansicht des BGH müssen die Wohnungseigentümer im Innenverhältnis nach § 19 Abs. 1 WEG bestimmen, ob ein Altkläger die Prozessführungsbefugnis verliert. Der Beschluss bedarf einer einfachen Mehrheit.
Rechte des Verwalters
Der Verwalter ist nach § 27 Abs. 1 WEG im Innenverhältnis nicht befugt, auf die Prozessführungsbefugnis des Altklägers einzuwirken. Handelt er im Außenverhältnis dennoch, soll seine Erklärung namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer allerdings wirksam sein. Der Verwalter kann dem Altkläger aber Schadensersatz schulden.
6 Entscheidung
AG München, Urteil v. 25.8.2021, 485 C 3241/20 WEG