1 Leitsatz
Auch dann, wenn nach der Gemeinschaftsordnung weitgehend verselbstständigte "Untergemeinschaften" mit eigenen Beschluss-Kompetenzen gebildet worden sind, kann grundsätzlich nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die den einzelnen Erwerbern aus den jeweiligen Verträgen mit dem Veräußerer wegen Mängeln des gemeinschaftlichen Eigentums zustehenden Rechte auf ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums an sich ziehen. Auch die Kompetenz, durch Beschluss über die gerichtliche Geltendmachung der vergemeinschafteten Ansprüche und die mit der Prozessführung im Zusammenhang stehenden Fragen (hier: Aufnahme von Vergleichsverhandlungen und Erhebung einer Sonderumlage zur Finanzierung der Prozesskosten) zu entscheiden, müssen sämtliche Wohnungseigentümer beschließen.
2 Normenkette
§§ 9a Abs. 2, 10 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
In der Gemeinschaftsordnung heißt es unter anderem wie folgt: "Bei den Regelungen dieser Gemeinschaftsordnung ist immer davon auszugehen, dass die auf dem Grundstück aufstehenden Wohngebäude … im Ergebnis so weit wie möglich getrennt und unabhängig voneinander behandelt werden, sodass die Einheiten 1 bis 8 und die Einheiten 9 bis 13 jeweils eine gesonderte Wirtschaftsgemeinschaft und hinsichtlich ihres Gebäudes eine eigene, getrennte Eigentümergemeinschaft bilden. ... Die Miteigentümer eines Hauses besitzen sämtliche Rechte und Pflichten an ihrem Gebäude so, wie wenn es sich um eine eigene Eigentümergemeinschaft handelt, mithin die beiden betreffenden Grundstücke real geteilt wären. Die Miteigentümer eines Hauses entscheiden allein über bauliche Maßnahmen an ihrem Gebäude. ... Jede Untergemeinschaft hält eine gesonderte Versammlung ab, die über die Belange entscheidet, die nur diese Gemeinschaft betrifft. In dieser Versammlung haben nur die Eigentümer der in dem Haus gelegenen Einheiten Stimmrecht. …"
Sämtliche Wohnungseigentümer beschließen im Jahr 2020, die Ausübung der auf die ordnungsmäßige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche sowie die sonstigen primären Mängelrechte, die den Erwerbern gegen Wohnungseigentümer K (den ehemaligen Bauträger) zustehen, von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausüben zu lassen. Auf der Grundlage dieses Beschlusses nimmt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K auf Zahlung von Vorschuss in Anspruch. Im Oktober 2021 beschließen die Wohnungseigentümer, den Prozess zunächst fortzuführen, das Ergebnis eines Gutachters abzuwarten und im Anschluss einen Vergleich mit K anzustreben. Ferner wird eine Sonderumlage in Höhe von 6.000 EUR zur Finanzierung der Prozesskosten bestimmt. Die Kosten sollen entsprechend den Miteigentumsanteilen verteilt werden. Gegen diese Beschlüsse wendet sich K. Er meint, den Wohnungseigentümern fehle die Beschlusskompetenz (= eine Untergemeinschaft hätte die Beschlüsse fassen müssen) und die Beschlüsse widersprächen einer ordnungsmäßigen Verwaltung.
4 Die Entscheidung
Dies sieht der BGH jeweils anders! Sämtliche Wohnungseigentümer hätten den Beschluss zur Vergemeinschaftung fassen können. Dies gelte auch dann, wenn die Mängel nur den einer Untergemeinschaft zugeordneten Teil der Wohnungseigentumsanlage beträfen. Für eine Vergemeinschaftung fehlte es selbst dann nicht an einer Beschlusskompetenz, wenn K mit 3 Wohnungseigentümern nicht durch Bauträger-, sondern durch Kaufverträge verbunden sein sollte. Für eine Differenzierung der auf das gleiche Ziel gerichteten Ansprüche bestehe jedenfalls dann kein Anlass, wenn – wie hier – gleichgerichtete Ansprüche mehrerer Erwerber gegen einen einzigen Veräußerer bestünden.
Auch der Beschluss zur Sonderumlage sei nicht zu beanstanden. Dem stehe nicht entgegen, dass die auf die jeweiligen Wohnungseigentümer entfallenden Anteile der nur der Gesamthöhe nach angegebenen Sonderumlage nicht in absoluten Beträgen beziffert worden seien, sondern nur auf die aufgeführten Miteigentumsanteile als Maßstab der auf die einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Anteile der Sonderumlage Bezug genommen worden sei. Denn es reiche aus, wenn der geschuldete Einzelbetrag objektiv eindeutig bestimmbar sei und von den Wohnungseigentümern selbst ohne Weiteres errechnet werden könne.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, welche Wohnungseigentümer berechtigt sind, über eine Vergemeinschaftung der Mängelrechte gegen den Bauträger zu beschließen.
Beschlusskompetenz
Die Rechte wegen Mängeln des gemeinschaftlichen Eigentums aus den mit dem Bauträger geschlossenen Verträgen stehen sämtlichen Wohnungseigentümern als Erwerbern zu. Jeder Erwerber von Wohnungseigentum ist grundsätzlich berechtigt, seine individuellen Rechte aus dem Vertrag mit dem Bauträger selbstständig zu verfolgen, solange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Bauträgers nicht beeinträchtigt sind. So kann der Erwerber die nicht gemeinschaftsbezogenen Rechte auf großen Schadensersatz oder Rücktritt selbstständig geltend machen. Aber auch die auf ordnu...