1 Leitsatz
§ 9a Abs. 2 WEG umfasst nicht ohne Weiteres die auf die Beseitigung von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum. Vielmehr bedarf es grundsätzlich eines Beschlusses, mit dem die Wohnungseigentümer ihre Rechte der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuweisen (Vergemeinschaftung).
2 Normenkette
§ 9a Abs. 2 WEG
3 Das Problem
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K nimmt Bauträger B im Jahr 2021 auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Beseitigung von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum in Anspruch, das bereits im Jahr 2011 hergestellt worden war. Streitig ist unter anderem, ob K überhaupt zur Klage berechtigt ist. K beruft sich in dieser Frage auf einen an die Wohnungseigentümer übersandten Beschlussantrag zur Erhebung der Klage, dem alle Wohnungseigentümer zugestimmt hatten. Ergänzend behauptet K, Wohnungseigentümer Z habe ihr seinen Anspruch aus dem Bauträgervertrag abgetreten. Das LG meint, K sei infolge der behaupteten Abtretung prozessführungsbefugt und darüber hinaus auch aufgrund des § 9a Abs. 2 WEG.
4 Die Entscheidung
Dies sieht das OLG teilweise anders! Die Prozessführungsbefugnis der K folge nicht aus § 9a Abs. 2 WEG. Denn diese Norm umfasse nicht "ohne Weiteres" die auf die Beseitigung von Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum. Vielmehr bedürfe es insoweit eines Beschlusses, mit dem die Wohnungseigentümer ihre Rechte der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zuweisen. Die Kompetenz für einen solchen Beschluss, den es aber nicht gebe, folge aus §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG (Hinweis auf BGH, Urteil v. 11.11.2022, V ZR 213/21, Rn. 30 ff.). Die Prozessführungsbefugnis folge aber, wie vom LG angenommen, aus dem Umstand, dass K aufgrund der Abtretung der Mängelgewährleistungsansprüche durch Wohnungseigentümer Z Ansprüche aus (behauptetem) eigenem Recht im eigenen Namen geltend mache. Die schriftliche Abtretungserklärung des Z habe nicht notariell beurkundet werden müssen. Ein Abtretungsvertrag sei grundsätzlich formfrei. Der Verwalter habe die Abtretung wirksam für K angenommen. Dabei könne dahinstehen, ob es sich bei der Abtretung von Gewährleistungsansprüchen, die das gemeinschaftliche Eigentum beträfen, um ein Verkehrsgeschäft im Sinne des § 9b Abs. 1 WEG handele, für welches dem Verwalter kraft Gesetzes entsprechende Vertretungsmacht zukomme, oder, ob ein Innengeschäft anzunehmen sei, bei dem der Verwalter nicht zuletzt durch § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG in seiner Vertretungsmacht begrenzt gewesen sein könne. Die Erklärung des Verwalters sei jedenfalls durch einen Beschluss außerhalb der Versammlung zur Klageerhebung genehmigt und eine bis dahin schwebend unwirksame Abtretung gemäß § 177 Abs. 1 BGB wirksam geworden. Die Klage sei auch begründet, da K gegen B ein Kostenvorschussanspruch in Höhe von 55.000 EUR aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3, 398 BGB zustehe.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall wollen Wohnungseigentümer nach über einem Jahrzehnt vom Bauträger Vorschuss für Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln an der Bausubstanz des gemeinschaftlichen Eigentums erlangen.
Mängelrechte
Der Vorschussanspruch ist ein Mängelrecht, welches 5 Jahre nach der Abnahme verjährt. Gibt es keine Abnahme, gibt es auch keine Verjährung. Allerdings gibt es dann eigentlich auch keine Mängelrechte. Der BGH meint hier seit Langem, der Bauträger dürfe sich auf diesen Umstand nicht berufen (= es gibt Mängelrechte, obwohl es das Gesetz anders sieht!).
Durchsetzung durch Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach Altbeschluss
Der BGH ist der Ansicht, dass Beschlüsse nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a. F. nach dem 30.11.2020 wirksam geblieben sind.
Vergemeinschaftung
Auch im aktuellen Recht ist, wie das OLG ausführt, außerdem eine Vergemeinschaftung möglich. Diese ist nach § 19 Abs. 1 WEG zu beschließen. Dann sind die Mängelrechte nach § 9a Abs. 2 WEG durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend zu machen. Für die Minderung und den kleinen Schadensersatz gilt das auch ohne Vergemeinschaftung.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Eine Verwaltung muss wissen, dass es möglich ist, dass ein Wohnungseigentümer der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Rechte abtritt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird dabei nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG durch die Verwaltung vertreten. Ob diese das darf, richtet sich nach § 27 Abs. 1 WEG.
6 Entscheidung
OLG Brandenburg, Urteil v. 13.12.2023, 4 U 22/23