Klagerecht der Eigentümergemeinschaft bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum
In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH die Prozessführungsbefugnis einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Geltendmachung von Mängelrechten hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums bejaht. Diese Befugnis war nach der Reform des WEG im Jahr 2020 rechtlich umstritten.
Gebäudegrundstück in Wohneigentum umgewandelt
Im konkreten Fall hatte eine Wohnungseigentümergemeinschaft gegen ein Immobilienunternehmen geklagt. Dieses war Eigentümerin eines in München gelegenen Grundstücks mit aufstehendem Gebäude. Im Jahr 2012 teilte sie das Wohngrundstück in Wohnungseigentum auf und verkaufte die einzelnen Wohneinheiten.
Bodenbelastungen nur teilweise entfernt
Im Rahmen einer Bodenuntersuchung für den geplanten Bau einer Tiefgarage wurden Bodenbelastungen entdeckt. Ein Gutachter empfahl unter der Annahme des geplanten Baus einer Tiefgarage im Innenhof einen Bodenaustausch bis zu einer Tiefe von 30 cm. Im Außenbereich seien trotz der festgestellten Belastungen keine Maßnahmen erforderlich, da das Grundstück dort eingezäunt werden könne. Die Immobiliengesellschaft veranlasste im Innenbereich einen Austausch des Bodens bis 20 cm Tiefe, zum Bau der Tiefgarage kam es nicht.
BGH bejaht Prozessführungsbefugnis der Eigentümergemeinschaft
In zwei Eigentümerversammlungen beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die gerichtliche Geltendmachung möglicher Ansprüche wegen Altlasten im Innenhof sowie im Außenbereich gegenüber der Immobiliengesellschaft. Nach unterschiedlichen Instanzentscheidungen stellte der BGH klar: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist zur Geltendmachung von Nacherfüllungs- und Nachbesserungsansprüchen betreffend das Gemeinschaftseigentum prozessführungsbefugt. Die während des Berufungsverfahrens zum 1.12.2020 in Kraft getretene Reform des WEG habe daran nichts geändert.
Anspruchsvergemeinschaftung war vor der Reform gesetzlich geregelt
Im Rahmen der Reform des WEG war die Vorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. ersatzlos weggefallen. Die Vorschrift sah für die Geltendmachung individueller Ansprüche der Wohnungseigentümer, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, eine Vergemeinschaftung durch Mehrheitsbeschluss vor, d.h. die Wohnungseigentümergemeinschaft konnte durch Beschluss die Geltendmachung dieser Rechte an sich ziehen.
Geborene Ausübungsbefugnis umfasst keine Individualansprüche
Seit der Reform regelt § 9a Abs. 2 WEG die sogenannte „geborene Ausübungsbefugnis“, wonach die Wohnungseigentümergemeinschaft die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie diejenigen Rechte der Wohnungseigentümer ausüben kann, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Hierzu gehören nach der Entscheidung des BGH die Ansprüche der Wohnungseigentümer, die selbstständig Rechte auf Mängelbeseitigung gegen den Veräußerer verfolgen, grundsätzlich nicht. Der selbständig gegen den Veräußerer vorgehende Wohnungseigentümer handle grundsätzlich auch im wohlverstandenen Interesse der anderen Wohnungseigentümer und dürfe seine vertraglichen Rechte gegen den Veräußerer im Grundsatz selbst wahrnehmen.
Neuregelung schließt Vergemeinschaftung von Rechten nicht aus
Andererseits schließt die Neuregelung nach Auslegung des BGH die Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss nicht aus. Gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG obliege der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unverändert die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Eigentümergemeinschaft habe darüber hinaus Erhaltungspflicht betreffend das gemeinschaftliche Eigentum. Nach wie vor sei es deshalb Sache der Wohnungseigentümer, in der Eigentümerversammlung zu entscheiden, auf welche Weise Mängel am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen und gegebenenfalls gerichtlich geltend zu machen sind. Damit war die Eigentümergemeinschaft nach Auffassung des Senats klagebefugt.
Altlastenverdacht begründet noch keinen Sanierungsanspruch
In tatsächlicher Hinsicht waren nach der Entscheidung des BGH allerdings noch einige Faktoren klärungsbedürftig. Bisher sei das tatsächliche Vorliegen von Altlasten nicht bewiesen, es bestehe lediglich ein Altlastenverdacht. Der Nachbesserungsanspruch umfasse zunächst nur die Ausräumung dieses Verdachts. Die Sanierung eines Grundstücks könne erst dann verlangt werden, wenn sich der Verdacht bestätigt. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen könne bisher eine von der üblichen Beschaffenheit abweichende Belastung des Grundstücks mit Schadstoffen und damit ein Mangel noch nicht festgestellt werden.
Vorinstanz muss erneut entscheiden
Nach der Entscheidung des BGH ist daher von der Vorinstanz zu klären, ob eine Altlast im Sinne des § 2 Abs. 3, Abs. 5 BBodSchG faktisch gegeben ist, die einen kaufrechtlichen Mangel begründet. Der BGH hat den Rechtsstreit daher zur weiteren Klärung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
(BGH, Urteil v. 11.11.2022, V ZR 213/21)
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