Leitsatz (amtlich)
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Ungültigerklärung eines Erstbeschlusses entfällt mit Bestandskraft eines ersetzenden oder bestätigenden Zweitbeschlusses.
2. Fehlt für den Beschlussgegenstand die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung, so ist von einer Beschlussfassung abzusehen. Ein ablehnender Beschluss ist nichtig (BayObLGZ 2004 Nr. 51).
3. Wenn in der Teilungserklärung die Verpflichtung zur Errichtung von Besucherstellplätzen festgelegt ist, fehlt der Eigentümerversammlung die Kompetenz, über die Einrichtung der Stellplätze zu beschließen. Dies gilt sowohl für einen positiven als auch für einen ablehnenden Beschluss.
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 08.07.2004; Aktenzeichen 4 T 1447/04) |
AG Rosenheim (Aktenzeichen 40 UR II 70/03) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des LG Traunstein v. 8.7.2004 wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der in der Eigentümerversammlung v. 22.5.2003 unter Tagesordnungspunkt 2, Teil 2, gefasste Beschluss "Erstellung der Besucherstellplätze" nichtig ist.
II. Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten des Verfahrens beim AG tragen der Antragsteller 6/11 und die Antragsgegner als Gesamtschuldner 5/11. Von den Gerichtskosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens haben der Antragsteller und die Antragsgegner als Gesamtschuldner jeweils die Hälfte zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.
IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.
In der Teilungserklärung ist bestimmt, dass 16 oberirdische Kfz-Stellplätze, darunter vier allgemeine Besucherstellplätze, zur Entstehung gelangen. Das zuständige Landratsamt beanstandete, dass nicht alle erforderlichen Stellplätze errichtet worden seien. Im Protokoll der Eigentümerversammlung v. 22.5.2003 ist zu Tagesordnungspunkt (TOP) 2 Folgendes bemerkt:
Erstellung der fehlenden Außenstellplätze und deren Finanzierung
Der Verwalter berichtete umfassend über alle bisherigen Aktivitäten, insb. über den umfangreichen Schriftverkehr mit einem Eigentümer. Aufgrund der wiederholten Einlassungen wurde in Abstimmung mit dem Beirat eine Stellungnahme eingeholt von der Kanzlei ...
Die Kosten für die Stellungnahmen wurden von den Beiräten und den anwesenden Eigentümern zur Zahlung im Wirtschaftsjahr 2003 genehmigt.
Abstimmungsergebnis: ...
Zu Beschluss kam weiter folgender Antrag:
Erstellung der Besucherstellplätze auf dem dafür vorgesehenen Grund der WEG. Gegen diesen einstimmig zu fassenden Beschluss legte ein Eigentümer unter Vorbehalt der Nachprüfung Widerspruch ein. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Nach Verhandlungen zwischen der Hausverwaltung und dem Bauamt des Landratsamts ... konnte eine Aussetzung des Vollzugs für die Erstellung der Stellplätze erwirkt werden. Diese Aussetzung ist gültig bis zum Widerruf durch das Landratsamt ...
Damit entfällt diese Position der Sonderumlage bis zum Neubeschluss.
Am 17.6.2004 beschlossen die Wohnungseigentümer:
Aufgrund der unklaren Rechtslage beschloss die Versammlung, derzeit keinen Beschluss zu fassen über die Erstellung der drei Außenstellplätze.
Der Antragsteller hat beim AG beantragt, den Eigentümerbeschluss v. 22.5.2003 und einen weiteren Beschluss, der im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr von Interesse ist, aufzuheben. Bezüglich des ersten Eigentümerbeschlusses wird eingewandt, der Verwalter habe das Abstimmungsergebnis falsch gewertet. Außerdem hat der Antragsteller die Feststellung beantragt, dass in der Eigentümerversammlung v. 22.5.2003 wirksam beschlossen worden sei, die fehlenden drei Stellplätze auf dem dafür vorgesehenen Grund zu errichten.
Das AG hat mit Beschluss v. 15.3.2004 dem Antrag stattgegeben. Das LG hat am 8.7.2004 den Beschluss des AG aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.
II. Das Rechtsmittel ist zum Teil begründet. Der in der Eigentümerversammlung v. 22.5.2003 zur Erstellung der Besucherstellplätze gefasste Beschluss ist wegen fehlender Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung nichtig. Demzufolge ist der Feststellungsantrag unbegründet.
1. Das LG hat ausgeführt:
Es fehle bereits ein formell wirksamer Eigentümerbeschluss, weil über den Antrag, die fehlenden Besucherstellplätze zu errichten, wegen der angekündigten Ablehnung durch einen Eigentümer überhaupt nicht abgestimmt worden sei.
Abgesehen davon fehle es im Hinblick auf den Eigentümerbeschluss v. 17.6.2004 am Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses v. 22.5.2003.
Jedenfalls liege ein wirksamer Beschluss über die Errichtung der Stellplätze schon deshalb nicht vor, weil eine solche Maßnahme nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer beschlossen werden könne. Daran fehle es hier.
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