Beschlusskompetenz für bauliche Veränderungen

Wohnungseigentümer können eine bauliche Veränderung auch beschließen, wenn die Nutzung dauerhaft nur dem bauwilligen Eigentümer zustehen soll. Beschlusskompetenz besteht auch, wenn durch die beschlossene Veränderung eine zuvor vereinbarte Nutzung faktisch unmöglich wird. Für Kompensationszahlungen besteht keine Beschlusskompetenz.

Hintergrund: Gestattung von Gartenhütten

In einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit drei Einheiten beschlossen die Wohnungseigentümer im November 2021, dass jeder Eigentümer berechtigt sein soll, auf einer Gemeinschaftsfläche jeweils auf eigene Kosten eine Gartenhütte zu errichten. Maße und Ausführung der Hütten sind im Beschluss definiert. Ferner sieht der Beschluss vor, dass die Eigentümer der Wohnungen im Obergeschoss und Dachgeschoss an die jeweils anderen Eigentümer für die Nutzung der Allgemeinfläche monatlich zehn Euro zahlen.

Im Jahr 2016 hatten die Eigentümer vereinbart, dass an der Stelle, an der die Gartenhütten errichtet werden sollen, Stellplätze für Mülltonnen errichtet werden sollen.

Der Eigentümer der Erdgeschoss-Wohnung hat nach Ablauf der Anfechtungsfrist Klage gegen den Beschluss erhoben. Er meint, der Beschluss über die Gestattung der Errichtung von Gartenhütten sei nichtig.

Entscheidung: Beschlusskompetenz besteht umfassend

Die Klage hat Erfolg. Der Beschluss ist nichtig, weil hinsichtlich der beschlossenen Zahlungspflicht keine Beschlusskompetenz besteht.

Gestattung der Gartenhütten

Der Beschluss weist allerdings keine Nichtigkeitsgründe auf, soweit er die Errichtung der Gartenhütten gestattet.

Insbesondere hatten die Eigentümer die erforderliche Beschlusskompetenz. Diese ergibt sich aus § 20 Abs. 1 WEG. Bei der in dem Beschluss genehmigten Errichtung von Gartenhütten handelt es sich um Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen und deshalb bauliche Veränderungen im Sinne dieser Vorschrift sind.

Die Beschlusskompetenz scheidet nicht deshalb aus, weil durch den Beschluss faktisch ein Sondernutzungsrecht für die bauwilligen Eigentümer begründet wird. Aus § 21 WEG folgt, dass bauliche Veränderungen seit der WEG-Reform auch dann beschlossen werden können, wenn hieraus die Zuweisung einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum für bestimmte Wohnungseigentümer folgt. Der Gesetzgeber differenziert hier nicht zwischen privilegierten Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 WEG und sonstigen baulichen Veränderungen.

Darüber hinaus können die Wohnungseigentümer seit der WEG-Reform eine bauliche Veränderung auch dann beschließen, wenn die Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum dauerhaft nur dem bauwilligen Wohnungseigentümer zustehen soll. So liegt es hier, denn jeder Eigentümer soll "seine" Gartenhütte allein nutzen dürfen. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Beschluss, der die übrigen Eigentümer vom Gebrauch ausschließt, anfechtbar ist, ließ der BGH allerdings offen, da die Anfechtungsfrist nicht eingehalten war.

Nutzungsvereinbarung steht Beschlusskompetenz nicht entgegen

Die Beschlusskompetenz ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Eigentümer zuvor eine Vereinbarung getroffen hatten, die Flächen als Stellplatz für Mülltonnen zu nutzen.

Zwar kann eine Vereinbarung nur durch eine erneute Vereinbarung geändert werden, es sei denn, eine gesetzliche oder vereinbarte Öffnungsklausel gestattet eine Änderung durch Beschluss. Eine bauliche Veränderung führt allerdings für sich genommen nicht dazu, dass eine Nutzungsvereinbarung geändert wird. Wird beispielsweise einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet, seine Teileigentumseinheit in eine Wohnung umzubauen, ändert dies nichts daran, dass die Einheit aufgrund der Vereinbarung weiterhin grundsätzlich nicht zum Wohnen genutzt werden darf.

Hier erschöpft sich die Vereinbarung aber darin, die Nutzung der Fläche als Mülltonnenstellplatz vorzugeben; nur ist diese Nutzung nicht mehr möglich, wenn dort Gartenhütten errichtet worden sind. Damit stellt sich die Frage, ob die Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung gemäß § 20 Abs. 1 WEG auch dann beschließen können, wenn die bauliche Maßnahme (lediglich) faktisch dazu führt, dass – wie hier – eine in der Vereinbarung vorgesehene Nutzung nicht mehr möglich ist.

Der BGH bejaht dies. Auch ein solcher Beschluss ist von der Beschlusskompetenz des § 20 Abs. 1 WEG gedeckt. Während eine beschlussweise Gebrauchsregelung nach § 19 Abs. 1 WEG nur zulässig ist, soweit keine Vereinbarung besteht, enthält § 20 WEG, der bauliche Veränderungen regelt, keinen solchen Vorbehalt. Die Vorschrift räumt den Wohnungseigentümern allgemein die Kompetenz ein, bauliche Veränderungen zu beschließen beziehungsweise durch Beschluss zu gestatten. Ferner wollte der Gesetzgeber mit der WEG-Reform bauliche Veränderungen erleichtern. Schließlich liefe § 20 Abs. 1 WEG weitgehend leer, wenn diese Vorschrift nur für Bauteile anwendbar wäre, für die es keine Nutzungsvereinbarung gibt.

Beschlusskompetenz sagt nichts über Rechtmäßigkeit des Beschlusses aus

Von der Beschlusskompetenz zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Beschluss, der einer Nutzungsvereinbarung faktisch zuwiderläuft, rechtmäßig oder anfechtbar ist. Insoweit gelten die allgemeinen Grenzen der Veränderungssperre des § 20 Abs. 4 WEG, wonach bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen oder gestattet werden dürfen und auch nicht verlangt werden können. Unabhängig davon müssen auch Beschlüsse über bauliche Veränderungen nach § 20 Abs. 1 WEG ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Ob und unter welchen Voraussetzungen der faktische Widerspruch zu einer Nutzungsvereinbarung zur Anfechtbarkeit eines Gestattungsbeschlusses führt, konnte der BGH hier allerdings offen lassen, weil die Anfechtungsfrist nicht gewahrt war.

Beschluss über Zahlungspflicht

Keine Beschlusskompetenz bestand bezüglich der monatlichen Nutzungsentschädigung. Selbst wenn die bauwilligen Eigentümer freiwillig zahlen wollten, sieht das Gesetz eine Beschlusskompetenz für die Festlegung von Zahlungen der Wohnungseigentümer untereinander nicht vor.

Beschluss ist insgesamt nichtig

Die Nichtigkeit der Entgeltregelung hat entsprechend § 139 BGB zur Folge, dass der Beschluss insgesamt nichtig ist.

Die teilweise Aufrechterhaltung von Eigentümerbeschlüssen kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn nach dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen zweifelsfrei davon auszugehen ist, dass der Beschluss auch als Teilregelung gefasst worden wäre. 

Hier stand die Nutzungsentschädigung im Zusammenhang mit der gleichzeitig beschlossenen Gestattung, Gartenhütten zu errichten. Sie sollte dazu dienen, den damit verbundenen Ausschluss von der Nutzung des Gemeinschaftseigentums zu kompensieren. Es steht daher nicht zweifelsfrei fest, dass der Gestattungsbeschluss auch ohne den Passus über die Zahlungen gefasst worden wäre. Der Beschluss ist daher insgesamt nichtig.

(BGH, Urteil v. 19.7.2024, V ZR 226/23)

Gesetzliche Grundlage für bauliche Veränderungen nach der WEG-Reform

§ 20 WEG Bauliche Veränderungen

(1) Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden.

(2) Jeder Wohnungseigentümer kann angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die 

1. dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
2. dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
3. dem Einbruchsschutz und
4. dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität
(ab 17.10.2024: 5. der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte)

dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.

(3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind.

(4) Bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, dürfen nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden.

§ 21 WEG Nutzungen und Kosten bei baulichen Veränderungen

(1) Die Kosten einer baulichen Veränderung, die einem Wohnungseigentümer gestattet oder die auf sein Verlangen nach § 20 Absatz 2 durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durchgeführt wurde, hat dieser Wohnungseigentümer zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen.

(2) bis (5) […] 


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