BGH: Vorbefassung der Eigentümerversammlung

Verlangt ein Wohnungseigentümer mit einer Beschlussersetzungsklage die Gestattung einer baulichen Veränderung, ist der Vorbefassung der Eigentümerversammlung genügt, wenn er den Beschluss verlangt hat, den er nun gerichtlich ersetzen lassen will. Unerheblich ist, ob der Kläger der Versammlung weitere Informationen und Unterlagen vorgelegt hat.

Hintergrund: Eigentümer will Zustimmung zu baulicher Veränderung

Ein Wohnungseigentümer hatte in einer Eigentümerversammlung beantragt, ihm die Montage von vier Wohnraumentlüftungen mit außenseitig sichtbaren, farblich angepassten Abdeckungen und die hierzu erforderlichen Fassadenbohrungen unter Einhaltung des KfW-Standards zu gestatten. Seinem Antrag war lediglich ein Bild der geplanten Abdeckung beigefügt. Weitere Unterlagen legte der Eigentümer in der Versammlung nicht vor. Die anderen Eigentümer hatten Bedenken über die Auswirkungen der begehrten Maßnahme und lehnten den Antrag mit Stimmenmehrheit ab.

Daraufhin erhob der bauwillige Eigentümer Klage auf gerichtliche Ersetzung des beantragten Beschlusses. Er meint, ihm stehe ein Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung gemäß § 20 Abs. 3 WEG zu.

Während das Amtsgericht die Klage für zulässig hielt, wies das Landgericht die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig ab. Es ist der Ansicht, der Eigentümer hätte der Eigentümerversammlung umfassende Informationen und Unterlagen zu seinem Vorhaben vorlegen müssen, damit eine ausreichende Vorbefassung vorliege.

Entscheidung: Antrag auf Beschlussfassung reicht

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Die Beschlussersetzungsklage ist nicht wegen Fehlens hinreichender Vorbefassung der Eigentümerversammlung unzulässig.

Im Ausgangspunkt gilt bei einer Beschlussersetzungsklage das sogenannte Vorbefassungsgebot. Voraussetzung für eine zulässige Beschlussersetzungsklage ist grundsätzlich, dass sich der klagende Eigentümer um die Beschlussfassung der primär zuständigen Eigentümerversammlung bemüht hat, bevor er das Gericht anruft. Das ergibt sich aus § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG.

Danach setzt die Klage voraus, dass eine notwendige Beschlussfassung unterbleibt. Eine Vorbefassung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird.

Keine hohen Anforderungen an Vorbefassung

Für die Vorbefassung genügt es, dass der Kläger in der Eigentümerversammlung die Beschlussfassung verlangt hat, wie er sie in der Folge vom Gericht ersetzt verlangt. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

Weitergehende Anforderungen an die Vorbefassung, wie die Vorlage von Unterlagen oder eines Gutachtens, gelten auch dann nicht, wenn der Eigentümer einen Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung aus § 20 Abs. 3 WEG geltend macht.

Zwar benötigen die anderen Eigentümer für ihre Entscheidung Informationen über mögliche Beeinträchtigungen durch die begehrte Maßnahme, und es ist nicht ihre Sache, diese Informationen zu beschaffen. Vielmehr liegt es im eigenen Interesse des Antragstellers, der Eigentümerversammlung möglichst umfassende Informationen und Materialien für eine fundierte Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Denn so erhöht sich seine Chance, die anderen Wohnungseigentümer von seinem Anliegen zu überzeugen und die gewünschte Beschlussfassung einvernehmlich und ohne zeitaufwändiges Gerichtsverfahren zu erreichen.

Dies rechtfertigt es aber nicht, die Anforderungen an die Vorbefassung zu erweitern. Der Eigentümer wüsste nicht sicher, welche Unterlagen er vorlegen müsste, um im Anschluss eine zulässige Beschlussersetzungsklage zu erheben. Außerdem wären Privatgutachten nicht als Beweismittel im anschließenden Gerichtsverfahren verwertbar. Es bestünde daher die Gefahr, dass Gutachten zu einem Thema doppelt eingeholt werden müssten und doppelte Kosten entstünden.

Fassadendurchbohrung ist nicht automatisch Beeinträchtigung

In dem Urteil stellt der BGH überdies klar, dass ein Durchbruch einer tragenden Wand oder eine Fassadendurchbohrung, wie sie der Eigentümer hier durchführen will, nicht ohne Weiteres die übrigen Eigentümer beeinträchtigt. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. An einer Beeinträchtigung der anderen Eigentümer kann es fehlen, wenn die Maßnahme nach fachkundiger Planung und statischer Berechnung von einem Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst durchgeführt wird.

(BGH, Urteil v. 14.2.2025, V ZR 86/24)


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