Leitsatz (amtlich)
Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses, wenn das verweisende Gericht die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene ausschließliche Gerichtsstandsklausel für wirksam hält, ohne zu prüfen, ob ihrer Wirksamkeit § 9 AGBG wegen mangelnden Bezugs zum Vertragsinhalt oder zum Geschäftssitz des Verwenders entgegensteht.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; AGBG § 9
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 30 C 541/02–71) |
AG Regensburg (Aktenzeichen 10 C 3465/01) |
Tenor
Zuständig ist das AG Frankfurt/Main.
Gründe
I. Mit am 24.10.2001 zugestellter Klage machte die Klägerin gegen die Beklagte vor dem AG Regensburg einen Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht wegen eines Transportschadens i.H.v. 3334,69 DM nebst Zinsen geltend. Die Klägerin ist Transportversicherer der X-GmbH, Regensburg, welche der Beklagten am 25.10.2000 den Auftrag erteilte, eine Partie mit 25 Computern an einen Abnehmer in Malta zu transportieren. Bei dem Transport ging ein Computer im Wert von 3.334,69 DM verlustig. Die Klägerin hat die Firma X-GmbH in dieser Höhe entschädigt; diese hat ihre Rechte aus dem Schadensereignis am 29.12.2000 an die Klägerin abgetreten.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die örtliche Unzuständigkeit des AG Regensburg gerügt. Die Beklagte, deren Hauptniederlassung sich bis Mai 1999 in Frankfurt/Main befand und deren Sitz seitdem im Amtsgerichtsbezirk Langen ist, hat vorgetragen, dass nach Ziff. 12 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen, die in ständiger Geschäftsbeziehung mit der Firma X-GmbH dem Auftrag zugrunde gelegen hätten, die ausschließliche Zuständigkeit des AG Frankfurt/Main gegeben sei. Die Klägerin beantragte daraufhin, den Rechtsstreit an das AG Frankfurt/Main zu verweisen. Mit Beschluss vom 1.3.2002 hat sich das AG Regensburg für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit entspr. dem Antrag der Klägerin an das AG Frankfurt/Main verwiesen und zur Begründung ausgeführt, dass nach dem Vorbringen der Beklagten zwischen ihr und der Zedentin X-GmbH die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des AG Frankfurt/Main vereinbart worden sei, was die Klägerin ausweislich ihres entspr. Verweisungsantrages zugestanden habe. Mit ebenfalls den Parteivertretern mitgeteiltem Beschluss vom 20.3.2002 hat das AG Frankfurt/Main die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Es hält sich nicht an den Verweisungsbeschluss des AG Regensburg gebunden, weil dieser willkürlich sei. Die vom AG der Verweisung zugrunde gelegte Gerichtsstandsvereinbarung sei unwirksam, weil sie einen Gerichtsstand bestimme, an dem nunmehr weder die Beklagte noch die X-GmbH ihren Sitz hätten und der auch nicht auf sonstige Weise mit den Rechtsbeziehungen der Parteien in Zusammenhang stehe. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob die AGB der Beklagten überhaupt wirksam vereinbart worden seien.
Das AG Regensburg hat die Rückübernahme abgelehnt. Daraufhin hat das AG Frankfurt/Main die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem BayObLG vorgelegt.
II. 1. Das BayObLG ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreits zwischen dem zuerst befassten AG Regensburg in Bayern und dem AG Frankfurt/Main in Hessen berufen (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO).
2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Beide AG haben sich nach Eintritt der Rechtshängigkeit durch den Parteien mitgeteilte Beschlüsse vom 1.3.2002 und 20.3.2002 i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO „rechtskräftig” für unzuständig erklärt (BayObLG v. 9.5.1990 – AR 1Z 45/90, NJW-RR 1991, 187 [188]).
3. Örtlich zuständig ist jedenfalls aufgrund des bindenden Verweisungsbeschlusses des AG Regensburg vom 1.3.2002 das AG Frankfurt/Main.
a) Nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO ist ein Verweisungsbeschluss grundsätzlich unanfechtbar und für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Diese Bindung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten, so dass der erste mit verfahrensrechtlicher Bindungswirkung erlassene Verweisungsbeschluss im Bestimmungsverfahren fortwirkt (BayObLG v. 9.5.1990 – AR 1Z 45/90, NJW-RR 1991, 187 [188]; v. 23.8.1999 – 28 AR 103/99, KGReport 1999, 394 [395]; Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 36 ZPO Rz. 28). Diese Bindungswirkung greift auch dann ein, wenn der Beschluss unrichtig oder verfahrensfehlerhaft ist, und entzieht auch einen sachlich zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschluss grundsätzlich der Nachprüfung (BGH v. 10.12.1987 – 1 ARZ 809/87, MDR 1988, 470 = NJW 1988, 1794 [1795]; FamRZ 1990, 1226 [1227]; v. 26.11.1985 – Allg. Reg. 90/85, BayObLGZ 1985, 397 [401] = MDR 1986, 326). Die Bindungswirkung gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn die Verweisung jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher willkürlich ist oder wenn sie auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht (BGH v. 10.12.1987 – 1ARZ 809/87, BGHZ 102, 338 [341] = MDR 1988, 470; BayObLG v. 16.7.1991 – AR 1Z 57/91, BayObLGZ 1991, 280 [281 f.]; Zöller/Greger, § 281 Rz. 17 und 17a). Aus dem Vorrang der vom Gesetzge...