Leitsatz (amtlich)
1. Eine entscheidungserhebliche Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, welches auch von Schiedsgerichten zu beachten ist, stellt einen Widerspruch zum verfahrensrechtlichen ordre public dar, welcher zur Aufhebung eines Schiedsspruchs führt.
2. Bei Erlass eines Schiedsspruchs kann die entgegenstehende Rechtskraft eines anderen Schiedsspruchs mit identischem Streitgegenstand zu beachten sein. Beruft sich eine Partei im Schiedsverfahren auf die entgegenstehende Rechtskraft eines in einem anderen Schiedsverfahren ergangenen Schiedsspruchs, kann der Anspruch auf rechtliches Gehör es gebieten, in den Gründen des Schiedsspruchs darauf einzugehen.
3. Erfolgt das entsprechende Vorbringen zur entgegenstehenden Rechtskraft im Schiedsverfahren erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder dem entsprechenden Zeitpunkt im schriftlichen Verfahren, kann es gegen das Gehörsrecht verstoßen, wenn das Schiedsgericht in der Begründung des Schiedsspruchs nicht zu erkennen gibt, dass es das Vorbringen zur Kenntnis genommen und die Möglichkeit der Wiedereröffnung der Verhandlung erwogen hat. Jedenfalls dann, wenn sich angesichts des Gewichts des (unverschuldet verspätet) Vorgetragenen die Erwägung einer Wiedereröffnung unmittelbar aufdrängt, muss sich aus dem Schiedsspruch ergeben, dass solche Erwägungen stattgefunden haben.
4. Der Umstand, dass das Schiedsverfahren, in dem zuerst ein Schiedsspruch ergangen ist, als "jüngeres" Verfahren wegen anderweitiger Rechtshängigkeit analog § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO möglicherweise unzulässig gewesen ist, steht der grundsätzlichen Beachtlichkeit der materiellen Rechtskraft des gleichwohl ergangenen Schiedsspruchs im "älteren" Verfahren nicht entgegen. Für den Fall, dass das Schiedsgericht im "älteren" Verfahren ausnahmsweise eine Durchbrechung der Rechtskraft nach § 826 BGB annimmt, ist dies nachvollziehbar darzulegen und zu begründen.
Normenkette
ZPO §§ 1054-1055, 1059-1060
Tenor
I. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung von Ziffer 1 Satz 1 des Teilschiedsspruchs vom 23. Mai 2022 des Schiedsgerichts, bestehend aus Prof. Dr. T. als Vorsitzendem und den Mitschiedsrichtern Dr. W. und Dr. A., durch den die Schiedsbeklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 195.007,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an die K. GmbH & Co. KG verurteilt worden sind, wird abgelehnt und Ziffer 1 Satz 1 des Teilschiedsspruchs aufgehoben.
II. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das Schiedsgericht zurückverwiesen.
III. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens.
IV. Der Streitwert für das gerichtliche Verfahren wird auf 195.007,11 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin, eine Kommanditgesellschaft und zugleich Kommanditistin der K. GmbH & Co. KG, begehrt die teilweise Vollstreckbarerklärung eines inländischen Teilschiedsspruchs.
1. Mit Schiedsklage vom 26. Juni 2017 machte die Antragstellerin im Weg der actio pro socio Schadensersatzansprüche der K. GmbH & Co. KG gegen die Antragsgegner als Geschäftsführer der Komplementärin der K. GmbH & Co. KG, der K. M. GmbH, aufgrund fehlerhaften Geschäftsführerhandelns geltend.
a) Komplementärin der K. GmbH & Co. KG ohne Anteil am Gesellschaftsvermögen ist die K. M. GmbH; Kommanditisten sind die Antragstellerin mit 44% Anteil am Gesellschaftsvermögen und die K. H. GmbH & Co. KG mit 56%. Gesellschafter der Komplementärin der K. GmbH & Co. KG (also der K. M. GmbH) sind die Antragstellerin (zu 44%), die beiden Antragsgegner (zu je 10%) und die K. H. GmbH & Co. KG zu 36%. An der K. H. GmbH & Co. KG sind u.a. die beiden Antragsgegner als Kommanditisten mit je 25,9% Anteil am Gesellschaftsvermögen beteiligt. An der Komplementärin der K. H. GmbH & Co. KG (im Schiedsspruch teilweise als K. B. GmbH, teilweise - und so auch in der Schiedsklage - als K. B. GmbH bezeichnet) halten die Antragsgegner jeweils 28% der Anteile. Die Antragsgegner sind zudem alleinige Geschäftsführer der K. M. GmbH und (bis 15. Dezember 2016 allein, seitdem mit anderen) Geschäftsführer der Komplementärin der K. H. GmbH & Co. KG.
Die Antragsgegner sind ausweislich des Schiedsspruchs "als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der K. GmbH & Co. KG für die Führung der Geschäfte der Gesellschaft verantwortlich. Zu diesen Geschäften gehören u.a. [...] der Abschluss von Bauaufträgen für elektrotechnische Bau(installations)leistungen, der Abschluss von Nachunternehmerverträgen für die akquirierten Projekte und die Abwicklung, Überwachung und Abrechnung dieser Projekte". Die streitgegenständlichen Ansprüche sollen resultieren aus "Zuvielzahlungen an Subunternehmer, die unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheinen". Es sollen an Subunternehmer der K. GmbH & Co. KG Zahlungen "ohne Rechtsgrund aufgrund [von] Rechnungen [...] geleistet worden [sein], die fingierte Stunden ausweisen". Die Antragsgegner halten dem u.a. entgegen (z.B. Seite 36 des Schiedsspruchs), die Zahlungen beträfen Arbeit...