Leitsatz (amtlich)
Zur Erforderlichkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen im Verfahren der Beschwerde gegen eine Betreuerbestellung.
Normenkette
FGG § 67 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Memmingen (Aktenzeichen 4 T 2471/02,) |
AG Neu-Ulm (Aktenzeichen XVII 230/02) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des LG Memmingen vom 9.1.2003 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung an das LG Memmingen zurückverwiesen.
Gründe
I. Für die Betroffene ist seit 14.11.2002 eine Berufsbetreuerin für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Vertretung im Scheidungsverfahren bestellt.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Betroffenen hat das LG am 9.1.2003 zurückgewiesen.
Mit ihrer weiteren Beschwerde verfolgt die Betroffene ihr Ziel weiter, eine Aufhebung der Betreuung und eine Entpflichtung der Berufsbetreuerin von deren Amt zu erreichen. Hilfsweise beantragt sie eine Überprüfung, ob eine Betreuung für alle angeordneten Aufgabenkreise notwendig ist.
II. Die weitere Beschwerde ist zulässig und führt in der Sache zur Zurückverweisung an das LG.
1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Die Betroffene leide ausweislich eines fachärztlichen Gutachtens an einer chronifizierten paranoiden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Sie könne ihren Willen in Folge von Beeinträchtigungsideen nicht mehr frei bestimmen; ihre Entscheidungen und Willensbildungen beruhten nicht mehr auf einer der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechenden Würdigung der Außendinge, sondern auf ihren Wahnideen. Krankheitsbedingt lehne sie eine nervenärztliche Behandlung ab und sei nicht mehr in der Lage, ihre Angelegenheiten in den angeordneten Aufgabenkreisen zu besorgen. Andere Hilfsmöglichkeiten, die eine Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machen könnten, bestünden nicht. Der Erholung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens habe es wegen nicht ersichtlicher Mängel des vorliegenden Gutachtens, einer erneuten Anhörung der Betroffenen wegen nicht zu erwartender neuer Erkenntnisse und der Bestellung eines Verfahrenspflegers für die Betroffene deshalb nicht bedurft, weil diese in der Lage sei, ihre Interessen selbst zu vertreten.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Sache war an das LG zurückzuverweisen, weil der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt worden ist. Das LG hat der Betroffenen keinen Verfahrenspfleger bestellt.
a) gem. § 67 Abs. 1 S. 1 FGG bestellt das Gericht dem Betroffenen einen Pfleger für das Verfahren, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Auch wenn ein Regelfall nach § 67 Abs. 1 S. 2 FGG oder ein zwingender Fall nach § 67 Abs. 1 S. 5 FGG nicht vorliegt, ist ein Verfahrenspfleger dann zu bestellen, wenn der Betroffene seine Interessen nicht mehr in ausreichendem Umfang selbst wahrnehmen kann. Dies hängt vom Grad der Krankheit oder Behinderung sowie der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstandes ab (vgl. OLG Hamm v. 21.1.1993 – 15 W 139/92, FamRZ 1993, 988; Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 67 FGG Rz. 2; Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 67 Rz. 4). Auch einem Betroffenen, der auf Grund seiner psychischen Erkrankung nur vordergründig in der Lage ist, seine Rechte im Verfahren wahrzunehmen, seine Einwendungen aber nicht artikulieren und mit einer differenzierten Begründung dem Gericht nahe bringen kann, ist ein Verfahrenspfleger zu bestellen (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 1998, 57; OLG Hamm DAV 1997, 135; Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 67 Rz. 4). Anhaltspunkte hierfür können sich aus den Eingaben zu den Akten ergeben (vgl. Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 67 FGG Rz. 2).
Diese Grundsätze hat das LG nicht hinreichend beachtet. Aus den eingereichten Schriftstücken der Betroffenen, vor allem ihrem Schreiben an das LG, ergibt sich augenfällig, dass sie psychisch krank und deshalb zu einem differenzierten Vortrag nicht in der Lage ist. Der Gutachter hat ausgeführt, es sei offensichtlich, dass sich die Betroffene in keiner Weise selbst adäquat vertreten könne. Außerdem beinhaltet die angegriffene Betreuerbestellung den Aufgabenkreis „Vertretung im Scheidungsverfahren” und damit die Feststellung, dass die Betroffene in einem sie höchst persönlich betreffenden gerichtlichen Verfahren ihre Interessen nicht selbst wahrnehmen kann. Es liegt nahe, dass dies erst recht für ein Betreuungsverfahren gilt, welches gegen ihren Willen durchgeführt wird. Zudem wäre es in dieser Situation angebracht gewesen, der Betroffenen auf ihre Anfrage, ob ein Rechtsanwalt benötigt werde, eine Antwort zu erteilen, bevor der Beschluss erlassen und der Betroffenen eine rechtzeitige Mandatierung eines Rechtsanwalts und damit eine effektive Vertretung im Beschwerdeverfahren oder zumindest eine eigene Stellungnahme nicht mehr möglich war.
b) Dass die Betroffene im Verfahren der weiteren Beschwerde durch eine Verfahrensbe...