Leitsatz (amtlich)
Die Teilnahme an einem halbjährigen Modellprojekt mit 260 Stunden zur Einführung in die EDV sowie die Teilnahme an verschiedenen Fortbildungsseminaren bei einer Stadtsparkasse ohne Abschlußprüfung sind nicht mit einer abgeschlossenen Lehre vergleichbar im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG.
Normenkette
BBiG § 76; BGB §§ 1836, 1836a, 1908i; BVormVG §§ 1-2
Verfahrensgang
LG Augsburg (Urteil vom 28.02.2000; Aktenzeichen 5 T 5507/99) |
AG Augsburg (Urteil vom 13.12.1999; Aktenzeichen XVII 158/98) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 28. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Für die Betroffene ist eine Berufsbetreuerin bestellt. Dieser bewilligte das Amtsgericht mit Beschluß vom 13.12.1999 antragsgemäß einen Stundensatz von 45 DM als Betreuervergütung aus der Staatskasse. Auf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hat das Landgericht am 28.2.2000 die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert und den Stundensatz auf 35 DM festgesetzt. Dagegen wendet sich die Betreuerin mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
Das Landgericht hat ausgeführt, nach dem Wortlaut des Gesetzes sei ein die Mindestvergütung von 35 DM übersteigender Stundensatz von 45 DM nicht bereits dann zu bewilligen, wenn der Betreuer über besondere, für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse verfüge, sondern erst dann, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben worden seien. Da das Gesetz einen förmlichen, d. h. anerkannten Abschluß fordere, der einer Lehre dem Umfang nach zumindest vergleichbar sei, erfüllten anders erworbene Qualifikationen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen. Die Zurückstufung der Betreuerin auf den Mindestsatz von 35 DM pro Stunde entspreche möglicherweise nicht der tatsächlichen Qualifikation der Betreuerin. Zu einer anderen Entscheidung sehe sich die Kammer aber nicht in der Lage. Wolle man die gesetzliche Regelung – gegen ihren Wortlaut – großzügig interpretieren und auf den erworbenen betreuungsrelevanten „Erfahrungsschatz” abstellen, so wäre eine klare Trennung der einzelnen Vergütungsstufen nicht mehr möglich. Diese Problematik, die vor Inkrafttreten des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes bestanden habe, als eine von Landgerichtsbezirk zu Landgerichtsbezirk unterschiedliche Kasuistik zu den einzelnen Vergütungssätzen existiert habe, sollte durch die Neuregelung gerade beseitigt werden.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Hat das Vormundschaftsgericht bei der Bestellung des Betreuers festgestellt, daß er die Betreuung berufsmäßig führt, hat es ihm für seine Tätigkeit eine Vergütung zu bewilligen (§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB). Ist der Betreute mittellos, kann der Betreuer die Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1836 a BGB). Sie errechnet sich aus der für die Betreuung auf gewandten und erforderlichen Zeit und dem zugrunde zu legenden Stundensatz (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG). Dieser ist, sofern die Staatskasse in Anspruch genommen wird, vom Gesetzgeber nach der Qualifikation des Betreuers in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegt (§ 1 Abs. 1 BVormVG; vgl. BT Drucks. 13/7158 S. 27). Der Mindeststundensatz beläuft sich auf 35 DM (§ L Abs. 1 Satz 1 BVormVG). Die erhöhten Stundensätze von 45 DM bzw. 60 DM setzen voraus, daß der Betreuer über „Fachkenntnisse” bzw. „besondere Kenntnisse” verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind und die durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene Hochschulausbildung oder durch eine jeweils vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben wurden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BVormVG).
„Fachkenntnisse” bzw. „besondere Kenntnisse” (zwischen diesen beiden Begriffen besteht kein sachlicher Unterschied; vgl. Knittel BtG § 1836 a BGB Rn. 1; Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1273/1275) sind Kenntnisse, die – bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet – über ein Grundwissen deutlich hinausgehen, wobei das Grundwissen je nach Bildungsstand bzw. Ausbildung mehr oder weniger umfangreich sein kann (vgl. BayObLGZ 1999, 339).
Für die Führung einer Betreuung „nutzbar” sind Fachkenntnisse, wenn sie ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen und somit eine erhöhte Leistung zu erbringen. Angesichts des Wesens der Betreuung als rechtlicher Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen eine grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft (vgl. BayObLG aaO m. w. N.). Durch welche Ausbildungen für eine Betreuung nutzbare Fachkenntnisse erworben wurden, hat der Gesetzgeber offengelassen. Erforderlich ist insoweit, daß...