Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungültigerklärung von Regelungen einer Hausordnung
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 02.10.2001; Aktenzeichen 14 T 5268/01) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen 1 UR II 165/01) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 2. Oktober 2001 dahin abgeändert, daß der Eigentümerbeschluß vom 16. Februar 2001 zu Tagesordnungspunkt 6 in Nr. 12 für ungültig und in Nr. 14 Abs. 1 für nichtig erklärt wird.
II. Von den Gerichtskosten des gesamten Verfahrens tragen die Antragstellerin und die Antragsgegner, diese als Gesamtschuldner, jeweils die Hälfte. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.
III. Der Geschäftswert wird für das Verfahren vor dem Amtsgericht und vor dem Landgericht auf 8.000 DM festgesetzt und der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 3.000 DM.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von den weiteren Beteiligten verwaltet wird.
Am 16.2.2001 beschlossen die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt 6 eine Haus-, Garagen- und Gartenordnung (künftig: Hausordnung).
Nr. 12 der Hausordnung lautet wie folgt:
Der Verwalter ist verpflichtet, die ordnungsgemäße Durchführung der Hausordnung und die damit verbundenen Arbeiten zu überwachen sowie grobe Verstöße gerichtlich zu ahnden.
Nr. 14 Abs. 1 der Hausordnung lautet wie folgt:
Allgemeines: Für Schäden, die aus Nichteinhaltung der Hausordnung entstehen bzw. von sonstigen Gründen herrühren, haftet im vollen Umfange der Verursacher.
Die Antragstellerin hat beantragt, den Eigentümerbeschluß über die Hausordnung für ungültig zu erklären. Das Amtsgericht hat am 21.5.2001 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 2.10.2001 den Eigentümerbeschluß über die Hausordnung in Nr. 14 Abs. 5 für ungültig erklärt. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin mit dem Ziel, den Eigentümerbeschluß in Nr. 12 für ungültig und in Nr. 14 Abs. 1 für nichtig zu erklären.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Regelung in Nr. 12 der Hausordnung sei in Zusammenhang mit der Regelung in Nr. 13 zu sehen. Nach Nr. 13 solle vor einer gerichtlichen Ahndung von Verstößen gegen die Hausordnung durch den Verwalter oder den Verwaltungsbeirat vermittelt werden. Es entscheide also nicht der Verwalter allein, ob Verstöße gerichtlich geahndet würden.
Die Bestimmung in Nr. 14 Abs. 1 sei nicht unsinnig. Soweit dort auf „sonstige Gründe” abgestellt werde, seien nur solche gemeint, die zu Schadensersatzansprüchen kraft Gesetzes führten.
2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die Regelung in Nr. 12 der Hausordnung ist gemäß § 23 Abs. 4 WEG für ungültig zu erklären, weil es ihr an der erforderlichen Bestimmtheit und Klarheit fehlt. Der Senat kann den angefochtenen Eigentümerbeschluß über die Hausordnung selbst auslegen, weil die Hausordnung jedenfalls in Nr. 12 Regelungen enthält, die auch für den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers gelten (BGHZ 139, 288/291 = NJW 1998, 955/956). Der Kern der Regelung der Nr. 12 besteht in der Verpflichtung des Verwalters, grobe Verstöße gegen die Hausordnung gerichtlich zu ahnden. Die Regelung läßt nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit erkennen, wann ein grober Verstoß vorliegt und was unter einer gerichtlichen Ahndung im einzelnen zu verstehen ist (vgl. BGHZ 139, 288/291 = NJW 1998, 955/957).
b) Die in Nr. 14 Abs. 1 der Hausordnung getroffene Regelung ist nichtig. Sie sieht eine Haftung für Schäden durch den „Verursacher” vor. Damit wird das gesetzliche Leitbild, das grundsätzlich nur eine Haftung für Verschulden vorsieht (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB; Palandt/Heinrichs BGB 60. Aufl. § 276 Rn. 3), abgeändert. Das Verschuldensprinzip gilt auch für eine Haftung der Wohnungseigentümer untereinander (Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Aufl. § 10 Rn. 30). Eine Änderung ist nicht durch Mehrheitsbeschluß, sondern nur durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG möglich, weil den Wohnungseigentümern die Beschlußkompetenz für Abänderungen des Gesetzes fehlt (siehe BGHZ 145, 158/168 = NJW 2000, 3500).
3. Es erscheint angemessen, entsprechend dem teilweisen Unterliegen der Antragstellerin dieser und den Antragsgegnern jeweils die Hälfte der Gerichtskosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen, jedoch von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten abzusehen (§ 47 WEG).
Dem Senat erscheint mit dem von der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift mit 8.000 DM angegebenen Geschäftswert das maßgebende Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer an dem Beschluß über die Hausordnung angemessen bewertet. Davon ausgehend ergibt sich für das Rechtsbeschwerdeverfahren, weil nur noch zwei Regelungen der Hausordnung beanstandet wurden, ein geringerer Geschäftswert (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG).
Unterschriften
Dr. Reichold, Demharter, Dr. Deli...