Leitsatz (amtlich)

1. Ein Eigentümerbeschluss, der bauliche Veränderungen zum Gegenstand hat, ist nicht wegen absoluter Unzuständigkeit der Wohnungseigentümer zur Beschlussfassung nichtig.

2. Bei Versäumung der Frist zur Anfechtung eines Eigentümerbeschlusses kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Eine Wiedereinsetzung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Wohnungseigentümer, der in der Eigentümerversammlung nicht anwesend war, aufgrund des Einladungsschreibens mit einem bestimmten Eigentümerbeschluss rechnen musste, das Protokoll über die Versammlung und damit Kenntnis von dem Eigentümerbeschluss aber erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist erlangt hat.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 22.10.2003; Aktenzeichen 14 T 3387/03)

AG Schwabach (Aktenzeichen 3 UR II 37/02)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 22.10.2003 wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert wird für alle Rechtszüge auf 80.000 Euro festgesetzt. Insoweit wird die Geschäftswertfestsetzung durch die Vorinstanzen abgeändert.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die von dem weiteren Beteiligten verwaltet wird.

Die Wohnanlage wurde wegen der Insolvenz des Bauträgers nicht vollständig fertiggestellt und weist erhebliche Mängel auf.

In der Einladung zu einer Eigentümerversammlung am 12.7.2002 sind unter Tagesordnungspunkt (TOP) 5 die Stichpunkte Sanierungsplan, Treppenhaus, Laubengangverglasung, weitere Sonderumlage, Bericht über Maßnahmen zur weiteren Mängelbeseitigung, Beschlüsse aufgezählt.

Am 12.7.2002 beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 5 u.a. die Verglasung der Aufzüge und eine Gefällebeschichtung einschl. der Architekten- und Ingenieurleistungen; hierfür sollte eine Sonderumlage von 650 000 Euro erhoben werden.

Der Antragsteller, der in der Eigentümerversammlung nicht anwesend war, hat am 30.8.2002 beantragt, den Eigentümerbeschluss, soweit Gegenstand die Verglasung der Aufzüge und eine Gefällebeschichtung einschl. Architekten- und Ingenieurleistungen ist, für nichtig zu erklären, hilfsweise ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zu gewähren und den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären. Das AG hat die Anträge am 3.3.2003 abgewiesen und das LG hat die sofortige Beschwerde dagegen am 22.10.2003 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das LG hat unter weitgehender Bezugnahme auf die Gründe in der amtsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt: Selbst wenn die beschlossenen baulichen Veränderungen den Antragsteller über das hinnehmbare Maß hinaus beeinträchtigen würden, läge zwar ein Verstoß gegen das Gesetz vor, aber kein nichtiger Eigentümerbeschluss. Der Beschluss wäre vielmehr nur dann ungültig, wenn er für ungültig erklärt worden wäre. Eine solche Ungültigerklärung komme nicht in Betracht, weil der Antragsteller die Anfechtungsfrist nicht eingehalten habe. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumung könne nicht gewährt werden. Der Antragsteller habe aufgrund des sehr umfassenden Einladungsschreibens mit dem von ihm angegriffenen Eigentümerbeschluss rechnen müssen. Es komme daher nicht darauf an, ob er die Niederschrift über die Eigentümerversammlung vor Ablauf der Anfechtungsfrist erhalten habe.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums, die über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht, kann grundsätzlich nicht mit Mehrheit der Stimmen von den Wohnungseigentümern beschlossen werden (§ 22 Abs. 1 S. 1 WEG). Es kann dahinstehen, ob die von den Wohnungseigentümern am 12.7.2002 unter TOP 5 beschlossenen Maßnahmen eine ordnungsmäßige Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zum Gegenstand haben oder die erstmalige Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustands der Wohnanlage. Auch wenn dies zu verneinen sein sollte, wäre der Eigentümerbeschluss nicht nichtig. Ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 S. 1 WEG macht den Eigentümerbeschluss zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig. Im Fall seiner Anfechtung wäre er gem. § 23 Abs. 4 WEG für ungültig zu erklären. Für bauliche Veränderungen fehlt den Wohnungseigentümern jedenfalls nicht grundsätzlich die Beschlusskompetenz, die zur Nichtigkeit des Eigentümerbeschlusses führen würde (BGH v. 20.9.2000 – V ZB 58/99, BGHZ 145, 158 [168] = MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500 [3503]; BayObLG NZM 2001, 133).

b) Der Eigentümerbeschluss kann nicht für ungültig erklärt werden, weil er nicht innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 23 Abs. 4 WEG angefochten worden ist. Nach ständiger Rspr. des Senats kann zwar bei Versäumung dieser Frist grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in entspr....

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