Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckungssache. Duldung des Betretens der Wohnung. Richterablehnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Durch ein Gesuch um Akteneinsicht geht das Recht auf Ablehnung des Richters nicht verloren.

2. Verfahrensverstöße des Richters begründen nicht ohne weiteres dessen Ablehnung. Die grundlose Verweigerung von Akteneinsicht und ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör können aber Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters rechtfertigen.

 

Normenkette

GG Art. 103; ZPO §§ 42-43, 299

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 05.04.2000; Aktenzeichen 13 AR 3869/00)

AG München (Aktenzeichen 482 UR II 961/94 WEG)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 5. April 2000 aufgehoben.

II. Die Ablehnung des Richters am Amtsgericht … wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet.

 

Gründe

I.

Der Vollstreckungsschuldner ist durch rechtskräftigen Beschluß des Amtsgerichts – Wohnungseigentumsgerichts – vom 27.1.1995 in der Fassung durch den Beschluß des Landgerichts vom 28.9.1998 zur Duldung des Betretens seiner Wohnung unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet.

Die Vollstreckungsgläubiger beantragten mit Schriftsatz vom 9.6.1999, gegen den Vollstreckungsschuldner Zwangsgeld festzusetzen, ersatzweise Zwangshaft anzuordnen, weil er das Betreten seiner Wohnung verweigere. Der Schriftsatz wurde dem Vollstreckungsschuldner zur Stellungnahme binnen einer Woche zugeleitet; er ging bei ihm am 23.6.1999 ein. Bei einer mündlichen Vorsprache am 28.6.1999 bat der Vollstreckungsschuldner den Richter am Amtsgericht um Akteneinsicht, die ihm nicht gewährt wurde. Mit Schriftsatz vom 30.6.1999, beim Gericht eingegangen am selben Tag, bat der Vollstreckungsschuldner erneut um Akteneinsicht. Das Amtsgericht setzte am 1.7.1999, ohne von dem Schriftsatz des Vollstreckungsschuldners vom 30.6.1999 Kenntnis genommen zu haben, gegen den Vollstreckungsschuldner Zwangsgeld fest und ordnete ersatzweise Zwangshaft an. Am 19.7.1999 legte der Vollstreckungsschuldner dagegen sofortige Beschwerde ein und erhob mit Schriftsatz vom 28.7.1999 Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel.

Mit weiterem Schriftsatz vom 28.7.1999 hat der Vollstreckungsschuldner den Richter am Amtsgericht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und sich dabei insbesondere auf das Verhalten des Richters bei der persönlichen Vorsprache des Vollstreckungsschuldners gestützt. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 5.4.2000 das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Das Ablehnungsgesuch sei unzulässig, soweit es auf die Vorgänge vom 28.6.1999 gestützt werde. Durch den Antrag vom 30.6.1999 auf Akteneinsicht habe sich der Vollstreckungsschuldner auf eine Verhandlung mit dem später abgelehnten Richter eingelassen und dadurch sein Rügerecht verloren. Im übrigen sei das Ablehnungsgesuch nicht begründet. In der Regel seien zwar die gerichtsinternen Postlauf- und Bearbeitungszeiten zu beachten. Im Hinblick auf sie empfehle es sich, einige Tage nach Ablauf einer Frist zur Stellungnahme bis zu Beschlußfassung zuzuwarten. Dies sei hier nicht geschehen und damit der Anspruch des Vollstreckungsschuldners auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden. Der darin liegende Verfahrensfehler rechtfertige aber kein Mißtrauen in die Unparteilichkeit des Richters.

Der Vollstreckungsschuldner hat gegen den Beschluß des Landgerichts sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel (§ 45 Abs. 3 WEG, § 46 Abs. 2, § 567 Abs. 3 Satz 1, 2 ZPO) hat Erfolg. Die Ablehnung des Richters am Amtsgericht ist begründet.

1. Aus rechtskräftigen Entscheidungen, die in einem Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz ergangen sind, findet die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung statt (§ 45 Abs. 3 WEG). Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung sind damit unmittelbar und nicht nur entsprechend anzuwenden. Dies gilt auch für die Bestimmungen der §§ 42 ff. ZPO über die Ablehnung eines Richters.

a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muß es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Gesuchstellers scheiden daher aus (ständige Rechtsprechung, z. B. BayObLG WE 1989, 110; 1998, 153; ZMR 2000, 117).

Nach § 43 ZPO kann ein Richter nicht mehr abgelehnt werden, wenn sich der Ablehnende bei ihm, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

b) Das Landgericht hält das Ablehnungsgesuch des Vollstreckungsschuldners für unzulässig, soweit es auf die Vorgänge vom 28.10.19...

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