Leitsatz (amtlich)
Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine Klage von Verbrauchern und Nicht-Verbrauchern gegen mehrere Beklagte, von denen eine in einem Nicht-Mitgliedstaat, eine weitere in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und von denen zwei weitere Beklagte in Deutschland bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben.
Normenkette
ZPO §§ 29, 32, 36 Abs. 1 Nr. 3, § 60; EuGVVO Art. 6, 15-17
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 14 O 12921/04) |
Tenor
Als für die Klage zuständiges gemeinsames Gericht wird das LG Saarbrücken bestimmt.
Gründe
I. Die Antragsteller haben gegen die Antragsgegner als Gesamtschuldner bei dem LG Nürnberg-Fürth Klage auf Ersatz des ihnen aufgrund einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage als stille Gesellschafter an auf St. Vincent und den Grenadinen bzw. in Luxemburg ansässigen Anlagegesellschaften entstandenen Schadens erhoben. Der Antragsgegner zu 1), der seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des LG Saarbrücken hat, hafte als verantwortlicher Vertreter dieser Anlagegesellschaft, der Antragsgegner zu 2), der seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des LG Trier hat, als Vorstandsvorsitzender der Antragsgegnerinnen zu 3) und 4) wegen Verletzung von Informations- und Beratungspflichten aufgrund eines zwischen den jeweiligen Antragstellern und den Antragsgegnerinnen zu 3) und 4) geschlossenen Treuhandvertrages zur Abwicklung der Beteiligung an den Anlagegesellschaften. Die Antragsgegnerin zu 3), die ihren Sitz auf St. Vincent und den Grenadinen hat und zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses eine Niederlassung in Frankfurt/M. unterhielt, vereinbarte mit den jeweiligen Antragstellern in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Treuhandvertrag als Gerichtsstand "den Wohnsitz", die Antragsgegnerin zu 4), die ihren Sitz in Luxemburg hat, vereinbarte mit den jeweiligen Antragstellern in gleicher Weise als Gerichtsstand Vaduz/Liechtenstein.
Die Antragsteller haben die Bestimmung des LG Nürnberg als gemeinsam zuständiges Gericht beantragt.
II. Als zuständiges gemeinsames Gericht war das LG Saarbrücken zu bestimmen.
1. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO ist das BayObLG zur Entscheidung über den Bestimmungsantrag berufen, da die Antragsgegner ihre allgemeinen Gerichtsstände in unterschiedlichen Gerichtsbezirken haben und ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst war.
2. Die Voraussetzungen einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig. Dies ergibt sich für die Antragsgegner zu 1) und 2)aus §§ 12, 13 ZPO, für die Antragsgegnerin zu 4 aus Art. 16 Abs. 1 bzw. Art. 6 Nr. 1 EuGVVO und für die Antragsgegnerin zu 3) aus Art. 4 Abs. 1 EuGVVO i.V.m. § 29 ZPO.
aa) Die Antragsgegnerin zu 4 hat ihren Sitz in einem Mitgliedstaat (Luxemburg). Für sie gilt daher das EuGVVO. Gemäß Art. 16 Abs. 1 EuGVVO, der in seiner 1. Alt. die internationale und in seiner 2. Alt. die internationale und die örtliche Zuständigkeit regelt, besteht für die Antragsteller, soweit sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Klagen als Verbraucher i.S.v. Art. 15 Abs. 1 EuGVVO anzusehen sind, ein Wahlrecht zwischen der Erhebung der Klage im Mitgliedstaat des Sitzes des Unternehmens oder am Wohnsitzort des Verbrauchers. Die Antragsteller zu 4) bis 11) und 13) sind Verbraucher. Die Treuhandverträge, die mit der Antragsgegnerin zu 4) jeweils abgeschlossen wurden, sind Verbraucherverträge (§ 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO). Sie sind von ihrem Inhalt her bei der Antragsgegnerin zu 4) ihrer in Deutschland ausgeübten gewerblichen Tätigkeit, bei den Antragstellern weder deren beruflicher noch deren gewerblicher Tätigkeit zuzuordnen. Das damit den Antragstellern zu 4) bis 11) und 13) nach Art. 16 Abs. 1 EuGVVO zustehende Wahlrecht haben diese mit Erhebung der Klage bei einem deutschen Gericht, nämlich beim LG Nürnberg-Fürth, ausgeübt mit der Folge, dass deutsche Gerichte international zur Entscheidung über die gegen die Antragsgegnerin zu 4) erhobene Klage zuständig sind (Art. 16 Abs. 1 Alt. 1 EuGVO).
Die Antragsteller zu 1), 2), 3) und 12) sind nicht als Verbraucher anzusehen, da bei ihnen die Verbrauchereigenschaft nicht persönlich vorliegt, sondern sie die von ihnen geltend gemachten Ansprüche aufgrund Erbfolge bzw. Abtretung erlangt haben (BGH v. 7.7.1993 - VIII ZR 103/92, MDR 1993, 1117 = NJW 1993, 2684). Bei ihnen ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die gegen die Antragsgegnerin zu 4) gerichtete Klage aus Art. 6 Nr. 1 EuGVVO. Die Antragsgegnerin zu 4) ist zusammen mit den in Deutschland ansässigen Antragsgegnern zu 1) und 2)verklagt worden. Es besteht zwischen den Klagen eine so enge Beziehung, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint.
bb) Die Antragsgegnerin zu 3) hat ihren Sitz auf St. Vincent und den Grenadinen und damit in einem Nicht-Mitgliedstaat. Da sie zwar zum Zeitpunkt des jeweiligen Vertragss...