Leitsatz (amtlich)
Für die Berechnung des Streitwerts bei Dienstleistungsaufträgen mit einer bestimmten Vertragslaufzeit ist auch eine vom Bieter eingeräumte Verlängerungsoption zu berücksichtigen. Die zeitliche Schranke für die Schätzung des Auftragswerts bei unbefristeten Verträgen gilt insoweit nicht (wie BayObLG, Beschl. v. 9.10.2003 – Verg 8/03).
Verfahrensgang
Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 13.10.2003; Aktenzeichen 320.VK-3194-26/03) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird der Bescheid der Vergabekammer Nordbayern vom 13.10.2003 dahin abgeändert, dass die der Beigeladenen von der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 6.096,19 Euro festgesetzt werden.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.652 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin und die Beigeladene beteiligten sich als Bieterinnen an einer Ausschreibung im Offenen Verfahren, das die Einsammlung und den Transport von Haus- und Sperrmüll inklusive Verwertung des Metallschrottanteils am Sperrmüll sowie die Einsammlung, den Transport, die Sortierung und die Vermarktung von kommunalem Altpapier aus der Papiertonne in einem bayerischen Landkreis zum Gegenstand hatte. Auf die Mitteilung des Antragsgegners (Vergabestelle), auf die Angebote der Antragstellerin zu den Losen 1 und 2 könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil preislich günstigere Angebote vorlägen, und es sei beabsichtigt, auf die Angebote der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen, erhob die Antragstellerin Rüge und leitete sodann ein Nachprüfungsverfahren ein, um eine Neubewertung der Angebote zu erreichen. Die Vergabekammer verfügte am 8.7.2003 die Beiladung der Bietergemeinschaft B. Mit bestandskräftigem Beschluss der Vergabekammer vom 28.7.2003 wurde der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin abgelehnt und ihr die Kosten des Verfahrens einschl. der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle und der Beigeladenen auferlegt. Die Vergabekammer sprach auch aus, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Vergabestelle und durch die Beigeladene notwendig war.
Die Beigeladene hat beantragt, die ihr entstandenen Kosten aus einem Gegenstandswert von 448.493,07 Euro gegen die Antragstellerin festzusetzen. Zur Berechnung des Gegenstandswerts hat sie eine Vertragsverlängerungsoption berücksichtigt. Mit Bescheid vom 13.10.2003 hat die Vergabekammer ohne Einbeziehung der Option in die Streitwertberechnung die zu erstattenden Kosten auf 4.444,19 Euro festgesetzt und den Antrag i.Ü. abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beigeladenen.
II.1. Gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid der Vergabekammer, der einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt darstellt, ist die sofortige Beschwerde nach §§ 116 ff. GWB zulässig (st. Rspr.; z.B. BayObLG, Beschl. v. 25.6.2003 – Verg 9/03, BayObLGReport 2003, 332). Durch die aus ihrer Sicht zu niedrige Festsetzung der ihr zu erstattenden Kosten ist die Beigeladene auch beschwert. Über das Rechtsmittel kann ohne eine mündliche Verhandlung entschieden werden (BayObLG, Beschl. v. 20.1.2003 – Verg 29/02, BayObLGReport 2003, 265 LS).
2. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.
Die Wertvorschrift des § 12 a Abs. 2 GKG für das gerichtliche Verfahren ist nach der Rspr. des Senats auch für die Festsetzung notwendiger Aufwendungen anwaltlich vertretener Beteiligter im vorangegangenen Verfahrensabschnitt vor der Vergabekammer heranzuziehen (s. im Einzelnen BayObLG, Beschl. v. 25.6.2003 – Verg 9/03, BayObLGReport 2003, 332; auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.10.2002 – Verg 23/02). Den maßgeblichen Betrag für die Gebührenberechnung des Anwalts (§ 9 Abs. 1 BRAGO) bildet demnach der aus § 12 a Abs. 2 GKG errechnete Streitwert von 5 % der Auftragssumme, d.h. der Brutto-Angebotssumme (BayObLG VergabeR 2003, 371).
Ob die für die Schwellenwertberechnung geschaffene Schätzvorschrift des § 3 Abs. 3 VgV auch für die Berechnung des Streitwerts entspr. gilt, kann offen bleiben. Denn § 3 Abs. 3 VgV regelt nur das Schätzverfahren für Dienstleistungsaufträge mit einer Laufzeit bis zu zwölf Monaten (S. 1) einerseits, mit unbefristeter Laufzeit oder nicht absehbarer Vertragsdauer (S. 3) andererseits. Dienstleistungsverträge mit einer bestimmten Laufzeit von mehr als zwölf Monaten erfasst die Vorschrift nicht (BayObLG, Beschl. v. 9.10.2003 – Verg 8/03; s.a. OLG Düsseldorf NZM 2003, 175).
Die Auftragssumme gem. § 12 a Abs. 2 GKG bemisst sich demnach aus dem Vertragswert für die gesamte Vertragslaufzeit (1.1.2004 bis 30.6.2007 = 42 Monate); für die Streitwertberechnung zu berücksichtigen ist darüber hinaus aber auch das Optionsrecht auf Vertragsverlängerung bis 30.6.2010 (36 Monate). Das folgt daraus, dass der Gesetzgeber für die Streitwertberechnung auf den allgemeinen Grundsatz des wirtschaftlichen Interesses des Auftragnehmers an der Entscheidung abstellt (BayObLG, Beschl. v. 9.10.2003 – Verg ...