Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Gestattet eine Vereinbarung bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums, beurteilt sich ein Beseitigungsanspruch allein noch nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts

 

Verfahrensgang

AG Garmisch-Partenkirchen (Aktenzeichen UR II 34/98)

LG München II (Aktenzeichen 6 T 4551/98)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Landgerichts München II vom 6. Oktober 2000 aufgehoben.

II. Die Sache wird an das Landgericht München II zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert wird für das Verfahren vor dem Amtsgericht und für das Beschwerdeverfahren bis zum 21. Oktober 1999 auf 20.000 DM, für das Beschwerdeverfahren für die Zeit danach und für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 15.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer aus drei Gebäuden bestehenden Wohnanlage. Jedem der drei Beteiligten gehört ein Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigen tum an einem Gebäude; mit jedem Wohnungseigentum ist das Sondernutzungsrecht an einer Grundstücksfläche einschließlich der darauf bestehenden Gebäude verbunden.

Die als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung in der Teilungserklärung vom 30.11.1990 lautet auszugsweise wie folgt:

Die einzelnen Raumeinheiten bilden je wirtschaftlich getrennte Einheiten, wie wenn sie Alleineigentum wären, so daß wirtschaftlich gesehen gemeinschaftliches Eigentum außer der Zufahrt nicht vorhanden ist. Soweit tatsächlich ausscheidbar und gesetzlich zulässig sind daher die einzelnen Sondereigentumseinheiten samt Sondernutzungsrechten als selbständige Einheiten anzusehen und zu behandeln, so, als ob es sich je um entsprechendes Alleineigentum handeln würde. Im Zweifelsfall soll jeweils davon ausgegangen werden, daß es sich eigentlich um eine Realteilung handeln soll.

Daher bedarf es zu baulichen Veränderungen und Aufwendungen aller Art auf dem jeweiligen Anwesen nicht der Zustimmung des bzw. der jeweiligen Sondereigentümer der anderen Anwesen, weil deren Rechte dadurch nicht beeinträchtigt werden.

In dem Vertrag vom 30.11.1990, mit dem sie ihr Wohnungseigentum von dem weiteren Beteiligten kauften, verpflichteten sich die Antragsteller,

vom 1.1.1996 an Bauerweiterungen auf den Objekten des anderen Vertragsteiles zuzustimmen und bei der Stellung von Bauanträgen als Miteigentümer mitzuwirken.

Dieselbe Verpflichtung ging der Antragsgegner in dem Vertrag vom 27.5.1991 ein, mit dem er sein Wohnungseigentum von dem weiteren Beteiligten erwarb.

Schließlich verpflichteten sich die Antragsteller in einem gerichtlichen Vergleich vom 21.4.1993,

ihre nachbarschaftliche Zustimmung bzw. ihr nachbarschaftliches Einvernehmen mit der Errichtung eines Anbaus durch den Antragsgegner gemäß dem bereits vorgelegten Bauplan.

Der Antragsgegner verpflichtete sich in dem Vergleich, den Anbau so auszuführen, daß nach Erstellung des Anbaus keinerlei Lärmbelästigung auf Seiten der Antragsteller eintreten kann.

Der in dem Vergleich erwähnte Bauplan sah einen Anbau mit einem Flachdach vor. Der Antragsgegner errichtete den Anbau jedoch im Jahr 1997 mit einem sogenannten abgeschleppten Dach, das sich an das Hausdach anschloß und den gleichen Neigungswinkel wie dieses aufweist. Als Folge der Vordachveränderung wurden die gesetzlichen Abstandsflächen nicht eingehalten.

Durch bestandskräftigen Bescheid des Landratsamts vom 26.11.1998 wurde die Abänderung des Dachverlaufs von einem Flachdach zu einem Schrägdach unter Auflagen genehmigt; dabei wurde für das Unterschreiten der Abstandsflächen eine Abweichung zugelassen.

Die Antragsteller haben beantragt, den Antragsgegner zur Beseitigung des Anbaus zu verpflichten. Der Antragsgegner hat beantragt, diesen Antrag abzuweisen und die Antragsteller zu verpflichten, der Vordachverlängerung gegenüber dem Landratsamt zuzustimmen. Das Amtsgericht hat am 17.7.1998 den Antragsgegner zur Beseitigung des Anbaus verpflichtet und seinen Gegenantrag abgewiesen. Hiergegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 21.10.1999 hat er seinen Gegenantrag fallen gelassen. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 6.10.2000 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.

II.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an dieses.

1. Das Landgericht hat unter weitgehender Bezugnahme auf die Entscheidung des Amtsgerichts ausgeführt: Bei dem Anbau handle es sich um eine bauliche Veränderung. Die in der Gemeinschaftsordnung getroffene Regelung führe nicht dazu, daß jeder Sondereigentümer mit seinem Sondereigentum so verfahren könne, als bestünden keinerlei Bindungen aus dem Gemeinschaftsverhältnis. Dies gelte auch für die Zustimmung zu baulichen Ve...

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