Leitsatz (amtlich)
Das VormG hat über den Fortbestand mit Verlängerung einer laufenden Betreuung nur dann zu entscheiden, wenn ein besonderer Anlass hierzu besteht. Diesen Anlass kann ein Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung bilden, es können aber auch neue Tatsachen sein, die dem VormG zur Kenntnis gelangen und darauf hindeuten, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers weggefallen sein könnten. Schließlich gibt das Herannahen des nach § 69 Abs. Abs. 1 Nr. 5 FGG festgesetzten Zeitpunkts Anlass, über die Aufhebung oder Verlängerung der Maßnahme zu entscheiden.
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 16.09.2004; Aktenzeichen 41T 1955/04) |
AG Kaufbeuren (Beschluss vom 31.08.2003; Aktenzeichen XVII 77/02) |
Tenor
Die Beschlüsse des AG Kaufbeuren, Zweigstelle Füssen, vom 31.8.2003 und des LG Kempten (Allgäu) vom 16.9.2004 werden aufgehoben.
Gründe
I. Auf Anregung des Seniorenheims, in dem der Betroffene lebt, bestellte das AG am 13.12.2002 für den Betroffenen einen berufsmäßigen Betreuer zur finanziellen Regelung der Heimangelegenheiten, wobei es eine Überprüfung der Betreuung bis spätestens 1.12.2007 vorsah. Auf eine Eingabe des Betroffenen vom 18.4.2004 holte das AG ein Attest des Gesundheitsamtes zur Frage der Aufrechterhaltung der Betreuung ein. Am 31.8.2004 entschied es, dass der Aufgabenkreis der Betreuung unverändert bleibt und die Betreuung bis zum 10.8.2009 verlängert wird. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen hat das LG am 16.9.2004 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die zu Protokoll des Rechtspflegers am AG am 12.10.2004 eingelegte weitere Beschwerde des Betroffenen.
II. Die weitere Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Das LG hat die Entscheidung des AG mit der Begründung bestätigt, der Betroffene leide nach der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. G. an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und bedürfe daher zur finanziellen Regelung der Heimangelegenheiten eines Betreuers. Ein weiteres Sachverständigengutachten müsse nicht erholt werden.
2. Das LG hat dabei verkannt, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO, dass eine Entscheidung weder zur Aufrechterhaltung noch zur Verlängerung der Betreuung erforderlich ist.
a) Voraussetzung für die Anordnung einer Betreuung ist, dass ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Volljährigen und, wie hier, gegen seinen Willen, setzt daneben voraus, dass der Betreute aufgrund seiner Erkrankung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BVerfGE 22, 180 [219 ff.]; BayObLG v. 25.7.1994 - 3Z BR 97/94, BayObLGZ 1994, 209 [211] = BayObLGReport 1994, 76).
Für die Aufhebung der Betreuung (§ 1908d Abs. 1 BGB) genügt es, dass eines der genannten Tatbestandsmerkmale wegfällt. Ein Antrag auf Aufhebung kann daher nur abgelehnt werden, wenn alle genannten Voraussetzungen noch vorliegen (BayObLG v. 9.3.1995 - 3Z BR 365/94, BayObLGReport 1995, 36 = FamRZ 1995, 1519). Für das Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung der Betreuung gilt § 12 FGG, besondere verfahrensrechtliche Vorschriften bestehen nicht (BayObLG v. 21.7.1994 - 3Z BR 170/94, BayObLGReport 1994, 69 = FamRZ 1994, 1602; FamRZ 1998, 323). Ein neues Gutachten ist danach in diesem Verfahren einzuholen, wenn ein zeitnahes Gutachten nicht vorliegt (OLG Frankfurt v. 13.3.1992 - 20 W 83/92, MDR 1992, 511 = OLGReport Frankfurt 1992, 176 = FamRZ 1992, 859) oder gewichtige Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass sich die Tatsachengrundlage eines früheren Gutachtens erheblich verändert hat (BayObLG v. 9.4.2002 - 3Z BR 65/02, = FamRZ 2003, 115 [LS]).
Für die Entscheidung über die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers sind die Grundsätze maßgebend, die für die erstmalige Bestellung gelten (§ 69i Abs. 6 S. 1 FGG; vgl. BayObLG v. 22.10.1997 - 3Z BR 84/97, FamRZ 1998, 921). Zur Ermittlung der bereits eingangs genannten Voraussetzungen muss das Gericht grundsätzlich ein Sachverständigengutachten einholen (§ 68b Abs. 1 S. 1 FGG), wobei das Beschwerdegericht auf vom AG eingeholte Gutachten zurückgreifen kann (§ 69g Abs. 5 S. 4 FGG). Von der erneuten Einholung eines Gutachtens kann abgesehen werden, wenn sich aus der persönlichen Anhörung des Betroffenen und einem ärztlichen Zeugnis ergibt, dass sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht verringert hat (§ 69i Abs. 6 S. 2 FGG; BayObLG BtPrax 2004, 148 [149]).
b) Aus diesen Grundsätzen lässt sich ableiten, dass das VormG über den Fortbestand einer laufenden Betreuung nur dann zu entscheiden hat, wenn ein besonderer Anlass hierzu besteht. Diesen Anlass kann ein Antrag des Betroffenen auf Aufhebung der Betreuung bilden, es können aber auch neue Tatsachen sein, die dem VormG zur Kenntnis gelangen und darauf hindeuten, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines...