Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungssache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Gutachten im Sinne von § 68b Abs. 1 FGG muß die Qualität eines medizinischen Sachverständigengutachtens auf weisen. Eine bloße ärztliche Bescheinigung reicht nicht aus.

2. Der Tatrichter darf die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens nicht kritiklos übernehmen. Er ist vielmehr zu eigener kritischer Würdigung verpflichtet.

 

Normenkette

BGB § 1896; FGG §§ 15, 68b

 

Verfahrensgang

AG Bayreuth (Aktenzeichen XVII 350/00)

LG Bayreuth (Aktenzeichen 15 T 153/00)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluß des Landgerichts Bayreuth vom 29. Dezember 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Mit Beschluß vom 26.10.2000 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene eine Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge mit Einwilligung in die ärztliche Behandlung und Vermögenssorge mit Wohnungsangelegenheiten. Die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht am 29.12.2000 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, nach den Feststellungen des Sachverständigen, die sich auch mit den Beobachtungen der Betreuungsstelle deckten, betreibe die Betroffene wieder übermäßigen Alkoholkonsum und zeige dadurch psychopathologische Auffälligkeiten, was eine psychische Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB darstelle. Die Betroffene zeige dabei keinerlei Krankheitseinsicht. Dieser Einschätzung schließe sich die Kammer an. Im Hinblick auf die fehlende Krankheitseinsicht bedürfe die Betroffene einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge mit Einwilligung in die ärztliche Behandlung. Sie sei insoweit nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten in angemessener Form selbst zu erledigen. Sie habe in der Vergangenheit bereits mehrfach die verordneten Medikamente nicht in der gebotenen Form eingenommen. Weiterhin sei die Betroffene nicht in der Lage, mit ihrem Einkommen in angemessener Weise umzugehen und könne auch keine geklärte Wohnsituation vorweisen. Ihr Ehemann stehe ebenfalls unter Betreuung. Bei diesem wolle die Betroffene anscheinend nicht einziehen, obwohl sie ihren derzeitigen Aufenthalt, die Wohnung ihrer Mutter, räumen müsse. Insoweit bedürfe die Betroffene auch der Betreuung in den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Vermögens sorge mit Wohnungsangelegenheiten.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Feststellungen des Landgerichts zum Vorliegen einer psychischen Krankheit bei der Betroffenen sind unzureichend. Alkoholismus allein ist kein geistiges Gebrechen im Sinne von § 1896 Abs. 1 BGB und rechtfertigt für sich allein noch nicht die Bestellung eines Betreuers (BayObLG FamRZ 1993, 1489/1490). Die Alkoholsucht muß vielmehr entweder in ursächlichem Zusammenhang mit einer geistigen Behinderung stehen oder es muß ein darauf zurückzuführender psychischer Zustand eingetreten sein, der – insbesondere bei hochgradigem Alkoholismus – bereits die Annahme einer psychischen Krankheit erlaubt (z. B. bei bereits eingetretener hirnorganischer Schädigung; vgl. hierzu Knittel BtG § 1896 Rn. 2c).

b) Das Landgericht hat bei der Feststellung dieser Voraussetzungen § 68b FGG nicht beachtet. Nach dieser Bestimmung setzt die Bestellung eines Betreuers die Einholung eines Gutachtens durch das Gericht voraus. Dem Gutachten muß die Qualität eines medizinischen Sachverständigengutachtens zukommen. Anders als bei einer ärztlichen Bescheinigung, die ohne nachprüfbare Begründung lediglich eine Krankheitsdiagnose wiedergibt, müssen die Ausführungen des Sachverständigen so gehalten sein, daß sie eine verantwortliche richterliche Überprüfung auf ihre wissenschaftliche Fundierung, Logik und Schlüssigkeit zulassen (BayObLGZ 1986, 338/340; KG FamRZ 1995, 1379/1380; Keidel/Kayser FGG 14. Aufl. § 68b Rn. 5). Insbesondere hat der Sachverständige in seinem Gutachten darzulegen, von welchen Anknüpfungstatsachen er ausgeht, welche Befragungen und Untersuchungen er vorgenommen, welche Tests und Forschungsergebnisse er angewandt und welche Befunde er erhoben hat (KG aaO). Nur dann ist das Gericht in der Lage, das Gutachten zu überprüfen und sich das erforderliche eigene Bild von der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlüsse zu machen (Keidel/Kayser aaO).

Abgesehen davon, daß die vom Landgericht verwendete Stellungnahme des Landratsamts – Abteilung Gesundheitswesen – nicht vom Gericht eingeholt worden ist (vgl. KG aaO), ste...

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