Leitsatz (amtlich)

Von einem Berufsbetreuer mit abgeschlossenem Hochschulstudium (Diplom-Sozialwirt) ist zu erwarten, dass er die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Rechtsmittel im Betreuungsverfahren kennt oder sich entsprechende Kenntnisse ohne weiteres verschaffen kann.

 

Normenkette

FGG § 22 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 07.01.2002; Aktenzeichen 13 T 10595/01)

AG Nürnberg (Aktenzeichen XVII 1320/00)

 

Tenor

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 7.1.2002 wird abgelehnt.

II. Die sofortige weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss wird verworfen.

 

Gründe

Das AG entließ am 12.12.2001 mit sofortiger Wirksamkeit den ehemaligen Betreuer, der die Betreuung berufsmäßig führte, und bestellte statt seiner eine Rechtsanwältin als neue Betreuerin. Die vom ehemaligen Betreuer eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG am 7.1.2002 zurückgewiesen. Der Beschluss des LG war nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Er wurde dem ehemaligen Betreuer am 17.1.2002 zugestellt. Am selben Tag fragte der Betreuer per Fax unter Hinweis auf die fehlende Rechtsmittelbelehrung bei dem LG an, ob gegen den Beschluss Rechtsmittel eingelegt werden könne. Dieses Fax wurde nicht beantwortet.

Mit Fax vom 27.1.2002 legte der ehemalige Betreuer gegen die Entscheidung des LG weitere Beschwerde ein. Der Senat verwarf diese durch Beschluss vom 19.2.2002 wegen Formmangels. Mit Fax seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 8.3.2002 ließ der ehemalige Betreuer erneut sofortige weitere Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss einlegen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist beantragen.

II. Die erneute sofortige weitere Beschwerde ist unzulässig, da sie nach Ablauf der vom Gesetz für sie vorgesehenen Frist eingelegt wurde.

1. Eine Entscheidung, durch die ein Betreuer gegen seinen Willen entlassen worden ist, kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden (§ 69g Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FGG). Das Rechtsmittel muss binnen einer Frist von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in welchem die Entscheidung dem Betreuer bekannt gemacht worden ist, eingelegt werden (§ 22 Abs. 1 S. 1, § 69g Abs. 4 S. 2 FGG). Soweit eine Entscheidung der sofortigen Beschwerde unterliegt, findet auch gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts die sofortige weitere Beschwerde statt (§ 29 Abs. 2 FGG), für die in Ansehung der Frist die Regelungen für die Erstbeschwerde gelten (§ 29 Abs. 4 FGG).

Die landgerichtliche Entscheidung wurde dem ehemaligen Betreuer (vgl. OLG Stuttgart FGPrax 1996, 148) am 17.1.2002 durch Zustellung (§ 16 Abs. 2 S. 1 FGG) bekannt gemacht. Die erneute sofortige weitere Beschwerde ging am 8.3.2002 bei Gericht ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist von zwei Wochen abgelaufen. Der Umstand, dass der Entscheidung eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt war, hindert den Beginn der Frist nicht (vgl. BayObLGZ 1999, 232; BayObLGZ 2001, 297 [301]).

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist ist nicht zu gewähren. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 22 Abs. 2 S. 1 FGG). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

Wird eine wie hier gesetzlich nicht vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung (vgl. BayObLGZ 1999, 232) nicht erteilt, kann zwar ein hierauf beruhender Irrtum eines anwaltschaftlich nicht vertretenen und juristisch nicht vorgebildeten Beteiligten über die Voraussetzungen für die Einlegung eines befristeten Rechtsmittels unverschuldet i.S.v. § 22 Abs. 2 S. 1 FGG sein (vgl. BayObLGZ 2001, 297 [301]). Die Annahme fehlenden Verschuldens liegt nahe, wenn dem Beteiligten seine Rechtsunkenntnis nicht vorgeworfen werden kann. Dadurch wird dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch des Bürgers auf wirkungsvollen Rechtsschutz Rechnung getragen (vgl. BayObLGZ 2001, 297 [301]). Ist von dem Beteiligten jedoch zu erwarten, dass er aufgrund seiner Vorbildung und Erfahrung in gerichtlichen Verfahren oder aufgrund anwaltlicher Beratung die Voraussetzungen für die Einlegung des Rechtsmittels kennt oder ohne weiteres ermitteln kann, reicht in aller Regel das Unterbleiben einer Belehrung nicht aus, um fehlendes Verschulden zu begründen. Der ehemalige Betreuer ist hier hinreichend juristisch vorgebildet und als Berufsbetreuer ständig im Bereich des Betreuungsrechts tätig. Unter diesen Umständen ist von ihm zu erwarten, dass er im Stande ist, sich Klarheit über die Möglichkeit, Form und Frist einer Anfechtung der seine Entlassung betreffenden Beschwerdeentscheidung zu verschaffen. Er hat sich nach dem bei den Akten befindlichen Zeugnis mit Erfolg der Diplomprüfung für Sozialwirte (wirtschaftswissenschaftliche Richtung) unterzogen, wobei sich diese Prüfung auf die wirtschaftlich und sozialpolitisch wesentlichen Teile der Rechtswissenschaft erstreckte. Insoweit hat er auch im vorl...

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