Leitsatz (amtlich)
1. Ob durch eine bauliche Veränderung der optische Gesamteindruck der Anlage nachteilig verändert wird, obliegt der Beurteilung durch den Tatrichter.
2. Ist die Anwendung des § 22 Abs. 1 WEG abbedungen, kann sich ein Wohnungseigentümer grundsätzlich auf die Verletzung von Vorschriften des Baurechts berufen, wenn nach der Teilungserklärung die verschiedenen Wohneinheiten wirtschaftlich selbständig sein sollen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die baurechtlichen Vorschriften nachbarschützenden Charakter haben.
Verfahrensgang
AG Dachau (Aktenzeichen 4 UR II 39/03) |
LG München II (Aktenzeichen 2 T 7679/03) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG München II vom 22.3.2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Dem Antragsgegner steht ein Sondernutzungsrecht an der seinem Sondereigentum vorgelagerten Grundstücksfläche zu.
In Nr. 1V. 4. der Teilungserklärung ist bestimmt, dass die einzelnen Einheiten, soweit gesetzlich möglich, jeweils wirtschaftlich getrennte Einheiten bilden. Nr. 1V. 8. der Teilungserklärung bestimmt u.a., dass zu baulichen Veränderungen und Aufwendungen aller Art es nicht der Zustimmung der anderen Eigentümer bedarf, soweit davon kein Gemeinschaftseigentum, für das auch kein Sondernutzungsrecht besteht, betroffen ist.
Der Antragsgegner errichtete an der Hausmauer vor der Terrassentüre seines Wohnzimmers auf seiner Sondernutzungsfläche eine dreistufige Betontreppe. Ferner befindet sich auf der Sondernutzungsfläche des Antragsgegners ein als Geräte- und Abstellraum genutztes ehemaliges Transformatorenhäuschen. Dieses Häuschen ist nicht genehmigt, wurde jedoch vom Landratsamt geduldet.
Die Antragstellerin hat, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beim AG beantragt, den Antragsgegner zur Beseitigung der Betontreppe und des Transformatorenhäuschens zu verpflichten. Das AG hat mit Beschluss vom 7.11.2003 die Anträge abgewiesen. Das LG hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin am 22.3.2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das LG hat ausgeführt:
Für die Treppe sei Nr. 1V. 8. der Teilungserklärung nicht einschlägig, weil die Außenmauer des Gebäudes und damit Gemeinschaftseigentum betroffen sei. Die Antragstellerin könne ihren Beseitigungsanspruch nicht auf eine optische Beeinträchtigung stützen, da bloß optisch wahrnehmbare, das ästhetische Empfinden beeinträchtigende Zustände auf einem Grundstück dem davon betroffenen Nachbarn nicht schon allein aus diesem Grunde einen Abwehranspruch nach § 1400 (gemeint wohl 1004) BGB gäben. Wie sich aus den Lichtbildern entnehmen lasse, entstehe hier überdies durch die Errichtung der Treppe keine ästhetisch nachteilige Änderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnungseigentumsanlage.
Das Transformatorenhäuschen bedürfe keiner Zustimmung nach § 22 WEG. Verstöße gegen privatrechtliches oder drittschützendes öffentlich-rechtliches Nachbarrecht seien nicht ersichtlich. Hinsichtlich des Bauwerks bestehe ein Duldungsverwaltungsakt des Landratsamts, der dem Betroffenen eine geschützte baurechtliche Rechtsposition verschaffe, nach der auch bei Verletzung drittschützender Vorschriften er so zu behandeln sei, als wäre die Anlage genehmigt.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Das LG geht nach seinen tatsächlichen Feststellungen zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen davon aus, dass die Errichtung der Treppe eine bauliche Veränderung darstellt, auf die Nr. 1V. 8. der Teilungserklärung nicht anwendbar ist. Im Ausgangspunkt unzutreffend lehnt das LG jedoch eine Anwendung des § 1004 BGB ab. Nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3, § 22 Abs. 1, § 14 Nr. 1 WEG kann wohnungseigentumsrechtlich jede Beeinträchtigung abgewehrt werden, die über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht. Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung (BGH v. 19.12.1991 - V ZB 27/90, BGHZ 116, 392 = MDR 1992, 484; Beschl. v. 9.6.2004 - 2Z BR 044/04), dass auch eine optische Beeinträchtigung einen Abwehranspruch begründen kann. Das LG hat jedoch in seiner Hilfsbegründung festgestellt, dass die Errichtung der Treppe keine ästhetisch nachteilige Änderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnungseigentumsanlage bewirkt. Diese Beurteilung obliegt in erster Linie dem Tatrichter. Der Senat ist an diese Würdigung gebunden, da sie einen Rechtsfehler nicht erkennen lässt (vgl. BayObLG NZM 2000, 392; Beschl. v. 9.6.2004 - 2Z BR 044/04). Insbesondere hat das LG nicht dadurch gegen § 12 FGG verstoßen, dass es keinen Augenschein eingenommen hat, weil die Lichtbilder einen hinreichend...