Leitsatz (amtlich)
1. Ein Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage ist anfechtbar, aber nicht nichtig, wenn die Sonderumlage für die Bezahlung von Kostenvorschüssen für den Rechtsanwalt der Antragsgegner in einem Beschlussanfechtungsverfahren erhoben wird.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht allein deshalb zu gewähren, weil der Antragsteller davon ausgegangen ist, dass die Anfechtungsfrist erst mit dem Zugang des Protokolls zu laufen beginne.
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 01.12.2003; Aktenzeichen 1 T 4426/03) |
AG München (Aktenzeichen UR II 1013/02 WEG) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des LG München I vom 1.12.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen samtverbindlich die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
III. Der Geschäftswert für die erste und zweite Instanz wird auf 7.000 Euro, für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller sind mit dem Zusatz "als Gesellschafter bürgerlichen Rechts" im Grundbuch als Wohnungs- und Teileigentümer eingetragen. Die übrigen Wohnungseigentümer dieser Anlage sind die Antragsgegner. Die weitere Beteiligte war Verwalterin.
Am 2.8.2002 fand eine Eigentümerversammlung statt. Unter Tagesordnungspunkt (TOP) I wurden die Richtigkeit der Ladung und die Beschlussfähigkeit festgestellt; ferner wurde der Versammlungsleiter gewählt.
Zu TOP II beschlossen die Wohnungseigentümer die Erhebung einer Sonderumlage i.H.v. 6.000 Euro für die Zahlung von Rechtsanwaltskosten in einem Beschlussanfechtungsverfahren, das die Antragsteller angestrengt hatten.
Die Antragsteller haben am 3.9.2002 beim AG beantragt, die in der Eigentümerversammlung zu TOP I und II gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären. Das AG hat mit Beschluss vom 12.2.2003 die Anträge als unzulässig abgewiesen. Das LG hat am 1.12.2003 die sofortige Beschwerde der Antragsteller mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Anträge zu TOP I als unzulässig und die Anträge zu TOP II.1. als unbegründet abgewiesen werden. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller, mit der sie nur noch die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise die Ungültigerklärung des Beschlusses zu TOP II verfolgen.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Das LG hat, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, ausgeführt:
Der Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage sei nicht nichtig. Eine Umlegung von Vorschüssen auf die Rechtsanwaltsgebühren für noch nicht abgeschlossene Gerichtsverfahren sei zur Wahrung der Liquidität der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Beschlussfassung möglich. Ein Fall der Nichtigkeit liege deshalb nicht vor. Die Frist für einen Antrag auf Ungültigerklärung des Beschlusses hätten die Antragsteller versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ihnen nicht zu gewähren. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liege nicht vor.
2. Die Entscheidung des LG hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Gegen den Beschluss über die Finanzierung der Rechtsanwaltskosten bestehen inhaltliche Bedenken. Nach § 16 Abs. 5 WEG gehören die Kosten eines Verfahrens nach § 43 WEG nicht zu den Kosten der Verwaltung i.S.d. § 16 Abs. 2 WEG. Dies gilt grundsätzlich auch für die vorläufige Aufbringung der Kosten eines solchen Verfahrens (BayObLG BayObLGZ 1976, 223 [226]). Mit den Verfahrenskosten dürfen deshalb nicht alle Wohnungseigentümer belastet werden (BayObLG vom 25.6.1992 - 2Z BR 25/92, BayObLGReport 1992, 42 = NJW-RR 1992, 1431 [1432]).
Etwas anderes gilt nur für Wohngeldverfahren, da dort ein Anspruch der übrigen Wohnungseigentümer im Sinn des § 432 BGB geltend gemacht wird (KG WE 1992, 92). Ein Beschlussanfechtungsverfahren ist auch nicht vergleichbar mit den Verfahren, die Gegenstand der Entscheidungen des BGH (BGH NJW 1998, 3239) und des Senats (BayObLG vom 31.1.1992 - BReg. 2 Z 143/91, NJW 1993, 603; NZM 2001, 766) waren. In diesen Entscheidungen ging es nicht um Kosten von Verfahren nach § 43 WEG, sondern um Ansprüche bzw. Zwangsvollstreckungssicherheiten aus Streitigkeiten mit einem Bauträger, der zugleich Wohnungseigentümer war. In diesen Fällen handelte es sich um gemeinschaftliche Angelegenheiten der Wohnungseigentümer, da der Bauträger als Außenstehender in Anspruch genommen wurde und nur zufällig zugleich Wohnungseigentümer war.
b) Der Beschluss ist nicht nichtig (Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 16 WEG Rz. 13b). Nichtig ist wegen fehlender Beschlusskompetenz nur ein Beschluss, nach dessen Inhalt die gesetzliche Regelung durch eine andere ersetzt werden soll, nicht aber ein Beschluss, der eine gesetzliche Regelung unrichtig anwendet (BGH v. 20.9.2000 - V ZB 58/99, MDR 2000, 1367 = NJW 2000, 3500). Der verfahrensgegenständliche Beschluss beinhaltet eine konkrete Einzelfallregelung, auch wenn er nach dem Informationsschreiben der Hausverwaltung zur Deckung von Kosten mehrerer Beschlussanfechtungs...