Leitsatz (amtlich)
1. Unterbleibt die Anhörung des Betroffenen vor Anordnung einstweiliger Abschiebungshaft, ist sie auch dann unverzüglich nachzuholen, wenn der Betroffene zwei Tage nach seiner Festnahme abgeschoben wird.
2. Bei einem Zulässigen Fortsetzungsfeststellungsantrag in Abschiebungshaftsachen ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen § 16 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzG entsprechend anzuwenden.
Normenkette
FreihEntzG §§ 11, 16; GG Art. 104 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Passau (Beschluss vom 12.06.2001; Aktenzeichen 2 T 89/01) |
AG Passau (Beschluss vom 24.04.2001; Aktenzeichen 1 XIV B 304/01) |
AG Passau (Beschluss vom 20.04.2001; Aktenzeichen 1 XIV B 304/01) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Passau vom 12. Juni 2001 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, daß die Anordnung der einstweiligen Freiheitsentziehung des Betroffenen durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Passau vom 20. April 2001 und 24. April 2001 nicht rechtmäßig erfolgt ist.
III. Der Betroffene trägt in allen Instanzen keine Gerichtskosten.
Tatbestand
I.
Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, eines mongolischen Staatsangehörigen. Dieser sollte am 27.4.2001 abgeschoben werden. Auf Antrag der Behörde ordnete das Amtsgericht mit Beschluß vom 20.4.2001 gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit einstweilige Abschiebungshaft auf die Dauer von längstens zwei Wochen an und erlegte ihm die Verfahrenskosten auf. Die Zustellung dieses Beschlusses sollte „nach Festnahme” erfolgen. Da die Ausländerbehörde um Erweiterung des Beschlusses auf eine Aliaspersonalie des Betroffenen bat, erließ das Amtsgericht den Beschluß mit dieser Ergänzung am 24.4.2001 nochmals.
Am 25.4.2001 wurde der Betroffene festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt am Ort des Sitzes des Amtsgerichts verbracht. Am gleichen Tag legte er „gegen den erlassenen Sicherungshaftbefehl” „Rechtsmittel” ein. Am 27.4.2001 wurde der Betroffene in sein Heimatland abgeschoben. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen erklärte auf eine gerichtliche Anfrage, ob die Beschwerde zurückgenommen werde, sinngemäß, daß jetzt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung begehrt werde. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Betroffenen am 12.6.2001 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig und begründet. Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG; § 3 Satz 2 FreihEntzG; § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO n.F.) nicht stand.
1. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die sofortige Beschwerde des Betroffenen trotz der Hauptsacheerledigung weiterhin zulässig ist.
a) Durch die Abschiebung des Betroffenen am 27.4.2001 hat sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt (vgl. BayObLGZ 1988, 317/318; OLG Karlsruhe FGPrax 2000, 83).
b) Der Betroffene hat gleichwohl die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung begehrt. Mit diesem Ziel ist das Rechtsmittel weiterhin zulässig. Die dem Richter vorbehaltene Anordnung von Abschiebungshaft (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG) greift tief in den Schutzbereich des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ein. Im Fall einstweiliger Abschiebungshaft, welche die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten darf (§ 11 Abs. 1 Satz 2 FreihEntzG), kann eine abschließende gerichtliche Entscheidung in dem von der Prozeßordnung gegebenen Instanzenzug kaum erlangt werden. Daher kann der Betroffene sein gegen die Erstentscheidung eingelegtes Rechtsmittel mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung fortführen, auch wenn sich das ursprünglich damit verfolgte Begehren wegen des Endes der Haft prozessual überholt hat, da ihm anderenfalls der durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte effektive Rechtsschutz versagt würde (vgl. BVerfG NJW 1998, 2432/2433; BayObLGZ 2000, 220/221; OLG Köln BtPrax 1998, 35; OLG Karlsruhe InfAuslR 2001, 179/180).
2. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 20. und 24.4.2001 leiden an erheblichen Verfahrensmängeln, die zu ihrer Rechtswidrigkeit führen. Insbesondere hat das Amtsgericht die Vorschriften über die persönliche Anhörung des Betroffenen nicht beachtet. Auf die weitere Beschwerde ist daher die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der Anordnungen festzustellen.
a) Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2, § 5 Abs. 1 Satz 1 FreihEntzG i.V.m. § 12 FGG hat das Gericht den Betroffenen, gegen den Abschiebungshaft angeordnet werden soll, vor der Anordnung grundsätzlich mündlich zu hören (BayObLGZ 1999, 12/13). Das gilt im Grundsatz auch für die Anordnung einer einstweiligen Abschiebungshaft (§ 11 Abs. 2 Satz 1 FreihEntzG). Nur bei Gefahr im Verzug kann die vorherige Anhörung ausnahmsweise unterbleiben, ist dann aber unverzüglich nachzuholen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FreihEntzG; BayObLGZ 1996, 180/181; KG FGPrax 1997, 74/76). Der ...