Leitsatz (amtlich)
Besitzt der Betroffene Vermögen, das die Schongrenze übersteigt, ist er auch dann nicht mittellos, wenn diesem Vermögen Verbindlichkeiten ggü. dem Sozialhilfeträger gegenüberstehen, die bisher nicht durch Leistungsbescheid oder Überleitungsanzeige konkretisiert worden sind und der Sozialhilfeträger seine Leistungen ohne Rücksicht auf die Vermögensverhältnisse des Betroffenen erbracht hat.
Normenkette
BGB § 1836d
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 24.04.2002; Aktenzeichen 13 T 1399 mit 1402/01) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen XVII 442/94) |
Tenor
I. Die Beschlüsse des AG Nürnberg vom 21.2.1996, 18.2.1997, 20.4.1998 und 9.4.1999 sowie der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 24.4.2002 werden aufgehoben.
II. Die Akten werden an das AG Nürnberg zurückgegeben.
Gründe
I. Das AG bewilligte der Berufsbetreuerin der Betroffenen, deren Aufgabenkreis auch die Vermögenssorge umfasst, mit den Beschlüssen vom 21.2.1996, 18.2.1997, 20.4.1998 und 9.4.1999 für deren Tätigkeit in der Zeit vom 1.1.1995 mit 31.12.1998 aus der Staatskasse zu erstattende Vergütungen und Auslagen i.H.v. insgesamt 19.242,56 DM. Die einzelnen bewilligten Beträge sind an die Betreuerin überwiesen worden. Gegen die ihr nicht zugestellten Beschlüsse legte die Staatskasse (Bezirksrevisor) am 2.3.2000 sofortige Beschwerden ein mit dem Ziel, die Festsetzung aus dem Vermögen der Betroffenen zu erreichen. Das LG hat die sofortigen Beschwerden mit Beschluss vom 24.4.2002 zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die vom LG zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerden der Staatskasse (Bezirksrevisor).
II. Die zulässigen Rechtsmittel haben Erfolg.
1. Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die sofortigen Beschwerden seien zulässig, insb. sei die Zwei-Wochen-Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht in Gang gesetzt worden, weil die angefochtenen Beschlüsse dem Bezirksrevisor nicht förmlich zugestellt worden seien.
Die Rechtsmittel seien aber unbegründet, da die Betroffene mittellos sei. Für die Beurteilung der Mittellosigkeit der Betroffenen sei für die Betreuerin das bis zum 31.12.1998 gültige Recht anzuwenden, danach liege die Schongrenze bei 8.000 DM. Für die Höhe des Vermögens komme es hier auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an. Entgegen der Auffassung der Staatskasse sei nicht entscheidend, ob die Betroffene zum Zeitpunkt der angegriffenen Entschädigungsfestsetzungen vermögend gewesen sei.
Die Betroffene verfüge zwar über ein Aktivvermögen i.H.v. maximal rund 154.581 DM, nämlich eine Eigentumswohnung im Wert von ca. 57.668,46 Euro = 112.790 DM, sowie Kontoguthaben i.H.v. 20.240 DM und 21.551,06 DM. Hiervon seien aber die bestehenden Erstattungsansprüche des Sozialhilfeträgers i.H.v. 146.596,36 DM abzuziehen, so dass ein Reinvermögen von 7.985 DM verbleibe, welches die damalige Schongrenze von 8.000 DM unterschreite.
Ob Mittellosigkeit vorliege, beurteile sich anhand der Einkommensgrenzen des BSHG für Hilfe in besonderen Lebenslagen. Dies solle gerade vermeiden, dass eine Person, die auf Dauer Sozialhilfeleistungen beziehe, nicht als mittellos i.S.d. § 1835 Abs. 4 BGB angesehen werde. Hiermit wäre es aber nicht vereinbar, bei der Bestimmung der Mittellosigkeit darauf abzustellen, ob der Sozialhilfeträger hinsichtlich der über die Schongrenze hinausgehenden Vermögenswerte seinen Rückgriffsanspruch im Einzelfall schon durchgesetzt habe. Ebenso wie Ansprüche des Betreuten einen Vermögenswert darstellen können, dürften gegen ihn gerichtete Forderungen nicht unberücksichtigt bleiben. Das gelte vor allem dann, wenn die Forderung mit Leistungsbescheid geltend gemacht sei.
Es treffe nicht zu, dass die Ansprüche der Betreuerin als ältere Ansprüche den Rückerstattungsansprüchen des Sozialhilfeträgers vorrangig wären. Denn die damals fälligen Ansprüche der Betreuerin seien durch Befriedigung durch die Staatskasse erloschen. Sie würden erst wieder aufleben und damit erneut fällig werden, wenn die zugrunde liegenden Entschädigungsfestsetzungsbeschlüsse aufgehoben werden würden.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG; § 546 ZPO) nicht stand.
a) Zutreffend hat das LG für die Frage der Bewilligung der Vergütungen und Auslagen das bis 31.12.1998 geltende Recht herangezogen (BayObLGZ 1999, 21 [23]), insoweit für die Frage der Mittellosigkeit der Betroffenen (§ 1835 Abs. 4, § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F.) und des heranzuziehenden Vermögens die Vorschriften des Sozialhilferechts für maßgebend erachtet (BayObLG v. 7.6.1995 – 3Z BR 39/95, BayObLGZ 1995, 212 [213, 1997] = BayObLGReport 1995, 60 = BayObLGZ 1995, 82 [83]) sowie hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen der Mittellosigkeit auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung abgestellt (vgl. BayObLG v. 23.11.1995 – 3Z BR 296/95, BayObLGZ 1995, 395 = MDR 1996, 286; OLG Köln NJWE-FER 1998, 251; KG v. 8.7.1997 – 1 W 7404/95, KGReport 1997, 188 = FGPrax 1997, 224).
b) Zu Unrecht hat das LG aber auf dieser Grundlage angenommen, die Betroffene sei mittel...